Siebenbürgen

Die Volkstrachten der von Rumänen und Sachsen umgebenen Ungarn Siebenbürgens haben sehr viel Altertümliches bewahrt, denn die westlichen Einflüsse gelangten erst später oder überhaupt nicht hierher. Wechselseitige Beeinflussungen durch die Rumänen und die Sachsen sind auch in den Volkstrachten gut nachweisbar; sie verliehen der Kleidung der siebenbürgischen Ungarn spezifische Züge. Nicht wenige der vielen kleineren und größeren Bevölkerungsgruppen haben ihre Volkstracht bis in die heutige Zeit bewahrt. Nachfolgend sollen nur einige der bekanntesten beschrieben werden.

199. Junge Frau

199. Junge Frau
Kalotaszeg, ehem. Kom. Kolozs, Rumänien

Die Volkstracht der Ungarn im Tal der Schwarzen Körös (Fekete-Körös völgy) weist in vielen Zügen auf das Theißgebiet hin, denn einst zogen die Gedingearbeiter zur Ernte und zu anderen Arbeiten, dem Lauf des Flusses folgend, ins Theißtal hinab. Die beiden wichtigsten Kleidungsstücke der Frauentracht, das Hemd und das Unterkleid (pendely), waren aus Leinen und die kurzen Ärmel des Hemdes am unteren Rand mit zwei bis drei Rüschen verziert. Das Unterkleid war recht weit und wurde unter dem Rockbund in handbreite Falten gelegt. Vorn, wo der Rock auseinander stand, wurde er mit einem Leinenband zusammengehalten. Die Mädchen banden sich mit weißer Spitze verzierte Schürzen um, die Frauen trugen schwarze, reich in Falten gelegte Schürzen. Einen Überrock tragen die Frauen erst seit Ende des vorigen Jahrhunderts ; bei den Mädchen ist er rot, die Bräute tragen einen blauen und die alten Frauen einen schwarzen Rock. Dazu gehört immer ein Jäckchen oder ein Leibchen in ähnlicher Farbe. Sie sind mit Schnüren verziert oder mit Blumen bestickt. Die Mädchen trugen rote Schaftstiefel, die denen aus Kalotaszeg glichen, Bundschuhe zogen sie nur zur Arbeit an. Das Hemd der Männer war kurz, und es gehörte ein breiter Leibgurt (tüszõ oder gyûszû) dazu. Um den Hals banden sich die Älteren eine schwarze, die jungen Burschen eine weiße Halsbinde (galand). Als Oberkleidung war die ärmellose, pelzbesetzte und bestickte Weste aus Schaffell (kuzsók) am meisten verbreitet, da sie zur Arbeit getragen wurde. Suba, Guba und Cifraszûr waren gleichermaßen zu finden, bezeichneten aber zugleich einen gewissen gesellschaftlichen Unterschied. Ein typischer Überzieher dieser Gegend ist der daróc, der aus Wolltuch {G-390.} genäht wurde und außer den eingewebten farbigen Tuchstreifen keinerlei Verzierungen erhielt. Die Älteren trugen einen schwarzen Daróc, die Jüngeren einen farbigen. Bei der Arbeit hatten sie im allgemeinen Bundschuhe an, die sie im Winter mit wollenen Fußlappen auslegten. In der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts gehörten die Schaftstiefel vor allem zur Festtagskleidung.

Die Volkstracht von Klausenburg (Kolozsvár, Cluj-Napoca beziehungsweise der Vorstädte Hóstát, Hídelve) stimmte im wesentlichen mit der Kleidung in anderen siebenbürgischen Städten überein und hatte auch einen großen Einfluß auf die nähere und fernere Umgebung. Ähnlich wie in Kecskemét und in Debrecen unterlag auch in Kolozsvár die Tracht der Frauen früher der Verbürgerlichung als die der Männer. Die Frauen trugen unter ihrem verhältnismäßig kurzen Rock bereits im vorigen Jahrhundert mehrere Unterröcke Der Überrock war im Sommer aus Kattun, im Winter je nach der wechselnden Mode aus irgendeinem dickeren Stoff. Die Mädchen legten sich ein weißes Tuch (hárászkendõ) um die Schultern. Die Männer gingen in gerafften, weiten Gatyahosen und kragenlosen Hemden mit weiten, flatternden Ärmeln. Die Tuchhose gehörte hier seit langem zur Kleidung; alltags war sie aus grauem, feiertags aus blauem Tuch, vorn hatte sie keinen Schlitz, sondern eine Klappe, und sie war mit Verschnürungen verziert. An Feiertagen zog man dazu eine blaue Weste an, die mit Messingknöpfen geschmückt war. Die verheirateten Männer trugen einen weißen Szûr und dazu spitze schwarze Stiefel mit Schäften aus weichem Leder, die Stiefelspitzen waren nach oben gebogen.

200. Szekler auf dem Heimweg

200. Szekler auf dem Heimweg
Máréfalva, ehem. Kom. Udvarhely, Rumänien

Die Volkstracht vom Kalotaszeg gehört sowohl in ihren Formen wie in ihren Farbeffekten zu den schönsten ungarischen Trachten. Die Mädchen trugen ihr Haar früher in der Mitte gescheitelt; in neuerer Zeit kämmen sie es glatt nach hinten und flechten es im allgemeinen zu einem Zopf, seltener zu zwei Zöpfen (tyika). In das Zopfende wird alltags ein schmales Band, feiertags ein breites oder besonders langes Band geflochten, das dann bis an den Rocksaum reicht. Auf den Kopf setzen sie sich den Jungfernkranz aus Perlenreifen auf, zu dem lange Bänder gehören. Die Frauen stecken ihr Haar zu einem runden Knoten auf und binden ein Kopftuch um, das in der Woche im Nacken, sonntags unterm Kinn befestigt wird. Die Hemden der Frauen sind verschiedenartig, alle aber am Kragen, an den Manschetten und an den Schultern reich mit Kreuzstichstickereien verziert. Das Unterkleid aus Grob- oder Feinleinen wurde ähnlich wie der Überrock in Falten gelegt, und an Feiertagen wurden auch mehrere Röcke übereinander gezogen. Darüber trugen die Frauen vom Kalotaszeg den für ihre Tracht typischen Rock, den muszuj oder bagazia aus schwarzem Satin oder Kloth, der reich in Falten gelegt war. Das eine Ende des Rockes wurde in den Rockbund gesteckt, so daß der weiße Unterrock vorguckte. Da der Muszuj nichts anderes als ein weiter, in Falten gelegter Wickelrock war, wurde vorn über die beiden Enden des Wickelrockes eine Schürze gebunden. Im Winter trugen die Frauen eine reich verzierte Lederweste aus Schaffell. In jüngerer Zeit haben die Mädchen und die jungen Frauen auf die Schäfte ihrer roten Stiefel mit Seidenfäden Tulpenmotive gestickt. Diese hohen Stiefel wurden dann von schwarzen Stiefeln, {G-392.} später von verschiedenen Halbschuhformen verdrängt. Die Männer haben auch hier bis zum Ersten Weltkrieg ihr Haar lang getragen, auf dem Kopf einen oben ovalen Hut oder eine schwarze Mütze. Im Sommer trugen sowohl die Männer wie auch die Frauen Strohhüte. Die Burschen steckten sich ein so großes Perlenbukett (gyöngyös bokréta) an den Hut, daß es ihnen samt dem Hut ganz zur Seite rutschte. Das weitärmlige Hemd wurde Anfang unseres Jahrhunderts durch das sogenannte Soldatenhemd (katonás ing) mit engen Ärmeln verdrängt, zu dem nur noch selten eine Halsbinde getragen wurde. Von der weiten weißen Gatyahose und der dazu gehörenden kleinen Schürze mit Blumenmuster kam man nach dem Ersten Weltkrieg ab. Die enge Tuchhose (harisnya) war im vorigen Jahrhundert allgemein ein Kleidungsstück für den Winter, das äußerlich den Szekler Strumpfhosen ähnelte. Der mit Applikationen verzierte Szûr verbreitete sich Mitte des vorigen Jahrhunderts von der Tiefebene nach dem Kalotaszeg, nachdem man zuvor den weißen oder braunen daróc, einen kurzen Mantel, getragen hatte, der mit bunten Streifen oder Fransen verziert war. Zur Arbeit ging man in Bundschuhen. Schaftstiefel gehörten in den Gemeinden des Kalotaszeg meistens zur Feiertagstracht.

Die reiche, fein gearbeitete Tracht von Torockó bestand im vorigen Jahrhundert zum größten Teil bereits aus Fabrikstoffen. Sie ist im wesentlichen eine bäuerliche Variante der adlig-bürgerlichen Tracht des 17. und 18. Jahrhunderts. Reich und prächtig wirkt diese Tracht vor allem durch die Wespenstickerei auf den weißen Hemden, die durch Zierstiche die Stoffalten festhält, sowie durch die bestickten Schultern und Manschetten und den Spitzenbesatz der Unterwäsche. Als Oberkleidung trug man eine ärmellose, untaillierte Pelzweste (mellrevaló), einen Tuchumhang (palást) oder eine Tuchmente, die alle reich verziert waren. Als Grundfarbe bevorzugte man Rot und Blau. Die Kleidung der Männer glich in vieler Hinsicht der der Szekler. Sie trugen einen Pelzmantel mit oder ohne Ärmel, die typische enganliegende Strumpfhose (harisnya), eine schwarze Tuchweste und den condra, der wie der Daróc aus Wolltuch genäht wurde. Ihre Festtagsstiefel verzierten sie noch im vorigen Jahrhundert mit einer blauen Seidenquaste.

201. Männer in Festtracht

201. Männer in Festtracht
Nagykapus, ehem. Kom. Kolozs, Rumänien

Die Volkstrachten der Szekler stimmen zwar in ihren Grundelementen überein, zeigen aber doch viele Unterschiede. Kennzeichnend für alle ist, daß die Kleidung der Szekler größtenteils bis in die heutige Zeit aus selbsthergestelltem Stoff gefertigt wird. Die Mädchen flechten ihr in der Mitte gescheiteltes Haar zu zwei Zöpfen aus je drei bis vier Strähnen, die Frauen stecken es zum Knoten auf und setzen eine Rüschenhaube (csepesz) auf den Kopf; neuerdings binden sie auch ein Kopftuch um. Das Leinenhemd mit Rüschenkragen und kurzen Manschetten, der unterste Rock (pendely) und weitere Unterröcke sind allgemein üblich. Im Sommer ziehen sie über das Hemd eine mit Perlen oder Schnüren verzierte und mit farbigem Samt eingefaßte Weste. Der Überrock bestand aus hausgewebter Leinwand in gemischten schwarzen, braunen,. roten und blauen Farbstreifen, bis er durch den Baumwollrock (rokolya) abgelöst wurde. Darüber wurde immer eine andersfarbige Schürze aus Wollstoff, später aus Baumwolle gebunden. {G-393.} Im Winter trugen die Frauen eine Pelzweste (bundamellény) und den aus dicker brauner oder grauer hausgewebter Leinwand genähten Rock: szokmány oder kurti. Sie gingen in weichen Schaftstiefeln, später in Schuhen. Von der Lang- oder Rundhaartracht kamen die Männer erst ab, als Ende des vorigen Jahrhunderts die Burschen, die bei den Soldaten gedient hatten, die kurzen Haare einführten. Ihre Kopfbedeckung war ein breitkrempiger Filzhut, im Winter eine Pelzmütze. Zuerst war das Hemd der Männer kragenlos und ohne Manschetten; später wurde das Hemd aus besserem Leinen hergestellt und mit Kragen und Manschetten versehen. Die leinene Gatyahose wurde bei den Szeklern schon frühzeitig zur Unterbekleidung. Das kennzeichnendste Kleidungsstück war die enge Strumpfhose (harisnya) aus zumeist weißer Wolle, die vorn anstelle des Hosenschlitzes eine Klappe hatte. Die Verschnürungen der Hose gaben die gesellschaftliche Zugehörigkeit an. Die Verschnürung auf der im Sommer getragenen ärmellosen Weste stimmte mit der der Hose überein. Fast das ganze {G-394.} Jahr über trugen die Männer eine ärmellose Lederweste. Gegen die winterliche Kälte schützten sie ihren Körper durch einen langen Mantel aus meist braunem hausgewebtem Zeug (zeke, szokmány, cedele, bámbán) oder einen langen Fellmantel. Die Fußbekleidung der Szekler im vorigen Jahrhundert bildeten alltags Bundschuhe und feiertags Stiefel.

Auch die Csángó und die Moldauer Ungarn bewahrten in ihrer Volkstracht einige bemerkenswerte altertümliche Züge. Die erwachsenen Mädchen drehten ihr Haar im Nacken um einen Ring aus Weidenruten, der einen Durchmesser von 20 bis 30 cm hatte; diese Frisur erinnert an die vornehme Haartracht im 17. Jahrhundert. Die Frauen drehten ihr Haar zum Knoten und setzten eine Haube (csepesz) auf oder banden ein Tuch (tulpa) um. Um den Hals trugen sie mehrfache Perlenschnüre. Die Ärmel ihrer Hemden waren reich verziert. Über das lange Hemd wurde ein Wickelrock gebunden, der vorn offen war; sein linkes Ende wurde so in den Rockbund gesteckt, daß das weiße Hemd darunter hervorsah. Zu einem Rock nach diesem Schnitt trug man keine Schürze. Während der Türkenherrschaft haben sich bei den Moldauer Ungarn viele Männer das Kopfhaar rasieren lassen, und Mitte des vorigen Jahrhunderts trugen sie im allgemeinen schulterlanges Haar. Ihr hoher Filzhut geht auf eine frühere siebenbürgische Mode zurück. Von ihren Kleidungstücken soll die uralte Form der Beinkleider aus hausgewebtem Wollstoff genannt werden, bei der die beiden Hosenbeine – ähnlich der westeuropäischen Kleidung des 15. Jahrhunderts – an den Seiten nicht zusammengenäht wurden.

Die ungarischen Volkstrachten vereinen – wie überhaupt die gesamte ungarische Volkskultur – östliche und westliche Einflüsse, die, verbunden mit Varianten der inneren Entwicklung, typisch ungarische Züge hervorbrachten. Ohne entsprechende Vorarbeiten ist es außerordentlich schwer, diese Schichten voneinander zu trennen, und als erschwerender Umstand kommt noch hinzu, daß sich in den letzten zwei Jahrhunderten in Farbe und Form gut differenzierbare Volkstrachtengebiete entwickelt haben.

Der östliche Ursprung einzelner Kleidungsstücke geht nicht nur aus ihrem Namen hervor, sondern auch aus ihrem geraden Schnitt. Dieser erleichterte das Zusammenfügen und Nähen der Kleidungsstücke und außerdem gab es kaum Abfälle beim Zuschneiden, wodurch mit dem schwer beschaffbaren Stoff äußerst sparsam umgegangen werden konnte. Diese sehr alte Schnittform dürfte in Ungarn durch die angesiedelten Kumanen und Jazygen (I2. Jahrhundert) eingeführt worden sein und später während der anderthalb Jahrhunderte dauernden Türkenherrschaft wahrscheinlich neuen Auftrieb erhalten haben. Kleider von derartigem Schnitt (Suba, Guba, Szûr, einzelne Hemden und verschiedene Formen der Gatyahose) haben sich fast bis in die heutige Zeit erhalten. Gleichzeitig sind wahrscheinlich aus dem Westen die runden Schnittlinien nach Ungarn gekommen, die sich dann mit der Verbreitung der Manufaktur- und Fabrikstoffe immer mehr einbürgerten.

202. Stickerinnen

202. Stickerinnen
Lészped, Moldau, Rumänien

Neben den Schnittformen charakterisiert auch Farbigkeit die ungarischen Volkstrachten. Die heutigen Farbelemente sind aber neueren Datums, denn vor einigen Jahrhunderten waren vor allem die Grundfarben {G-395.} der verschiedenen Materialien (weiß, gelb, braun) dominierend. Die im vorigen Jahrhundert voll entfalteten ungarischen Volkstrachten bevorzugten hauptsächlich Rot, neben dem auch Blau eine bedeutende Rolle spielte, während die Älteren ihrem Alter entsprechend dunklere Farben wählten. In der Tracht der Männer setzten sich mit der Verbreitung der verschiedenen Manufakturtuche die dunkleren Farben durch.

All das und auch der typische Kopfputz und die Fußbekleidung (Schaftstiefel) bilden die Eigenheiten der im letzten Jahrhundert differenzierten, aber in bestimmten Grundzügen übereinstimmenden ungarischen Volkstrachten.