Märchenartige Balladen | INHALT | Versnovellen und Balladen aus der Türkenzeit |
Mit dem Volksglauben zusammenhängende beziehungsweise den Volksglauben episch verwertende ungarische Balladen gibt es natürlich noch andere, aber ihre Zuordnung bleibt schwierig. So enthält die Ballade Kata Kádár gleich zwei Motive des Volksglaubens: das sich verhängnisvoll blutig verfärbende Tuch und die aus dem Grab wachsende sprechende Blume (beide Motive finden sich häufig auch in anderen Balladen und Märchen), doch gehört sie ihrem Charakter nach eher zu den Versnovellen. Ein abergläubisches und gleichzeitig märchenartiges Motiv spielt bei der Flucht der Wunderschönen Kata Bán eine Rolle und erklärt ebenso die Klagen der Drei Waisen. Sogar in der einen oder der anderen Betyárenballade scheinen solche Motive auf und spiegeln die Naturauffassung und den Volksglauben mehrerer Jahrhunderte wider. Alles dies beweist, daß es schwer ist, hier starre Grenzen zu ziehen und daß die Volksdichtung auch ältere Motive zu neuem Leben erwecken und mit neuem Gehalt erfüllen kann.
Zu den auf Motiven des Volksglaubens beruhenden Balladen gehören auch die Balladen, die sogenannte religiöse Motive enthalten. Unter diesen finden sich solche von hinreißender Schönheit, wie die Ballade von Julia, schönes Mädchen, unter deren einzelnen Motiven einige ungarische Forscher teils heidnische, teils christlich-religiöse Motive erkennen wollen.
Diese in ihrer religiösen Andacht einzig dastehende Ballade, deren Wurzeln bis zur mittelalterlichen Legendendichtung reichen, ist in verhältnismäßig wenigen Varianten bekannt. In Westeuropa kommt dieser Typ häufig und in vielerlei Varianten vor, die der ungarischen aber nur darin ähneln, daß ein Mädchen als Verlobte in den Himmel eingeht. Außer einigen christlichen Symbolen (das Lamm Gottes, die Messekerzen) finden sich aber auch solche aus der früheren Glaubenswelt (der Wunderhirsch, das immer wieder auftauchende, richtungweisende Licht). Die Ballade dürfte im Mittelalter entstanden sein, wodurch die Möglichkeit gegeben war, die beiden Symbolsysteme in einer wunderbaren Ballade zu vereinigen.
Zu dieser Gruppe gehören noch die an die mittelalterlichen lateinischen Disputationes erinnernden Gesänge, beispielsweise der „Wettkampf der Blumen“, welcher aber weniger kirchlich als vielmehr weltlich wie ein Liebeslied endet. Hierher gehören auch die auf den Jahrmärkten angebotenen epischen Gesänge religiösen Charakters, und eine Beziehung besteht sogar zu den frömmelnden Erzeugnissen von Bettelsängern.
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