Das Antiquariat (Wien) 1956. Nr. 17–18. 213–216.
Ungarn stand seit dem Mittelalter in enger politischer, wirtschaftlicher und kultureller Verbindung mit Österreich. Nachdem die Hess'sche Druckerei in Ofen (1473) nur kurze Zeit in Betrieb gewesen war, befriedigte die in Wien schon völlig heimisch gewordene Buchdruckerkunst einen bedeutenden Teil des ungarischen Buchbedarfs. Die Mehrzahl der nach Ungarn gelangten Wiener Drucke fiel den Verwüstungen der Jahrhundert zum Opfer, vor allem der türkischen Besetzung. Dennoch können wir auch heute noch in ungarischen Bibliotheken verhältnismäßig viele Wiener Frühdrucke vorfinden. Nach meiner Zusammenstellung werden neun Exemplare der Erzeugnisse des „Druckers der Historie von S. Rochus” (1482–1485), von welchen drei seit mehreren Jahrzehnten verschollen sind, und von denen des Johannes Winterburger (1492–1519) sogar nahezu hundert in Ungarn aufbewahrt.
Im Rahmen meiner Untersuchungen über alte Wiener Druckwerke, insbesondere aus der Winterburgerschen Druckerei, bin ich auf einige Angaben gestoßen, welche die ausgezeichnete Langer-Dolchsche Bibliographie ergänzen. Von diesen möchte ich hier einige bekanntgeben:
1.
Johannes Glogoviensis: Signatio anni 1498, o. J. (1497).
Anfang fehlt. 4°; – ? Bll.; erhalten geblieben: das Schlußblatt (Vgl. Abb. 1–2.);
– unnumeriert und ohne Signatur; einspaltig; ohne Seitenüberschrift (Bl. 1r
42, 1v 39 Zeilen); – Text: Type 7, Impressum und Überschriften: Typ 6. –
Kein Wz.
Das Bruchstück besteht nur aus einem
einzigen Blatt, das als Makulatur verwendet wurde. Man hatte es aus dem Einband
eines Buches herauslösen müssen und es wird seit dem in der Budapester
Universitätsbibliothek aufbewahrt.
Die „Signatio” gehört in die Reihe der bei Winterburger gedruckten Kalender
in Quartformat. Wir kennen ähnliche Kalender sowohl für das Jahr 1493 von
Marcus Schinagel de Choschovia (Dolch 4) wie auch für 1495 von Johannes Muntz
(Dolch 14), für 1496 von Joseph Gruenpeckh (Dolch 15), für 1497 von einem
unbekannten Verfasser (Dolch 17) und schließlich für das Jahr 1499, ebenfalls
von Johannes Glogoviensis (Dolch 19).
Unser Bruchstück enthält glücklicherweise den Kolophon (vgl. Abb. 2); er ist
ähnlich dem des Druckers aus dem Jahre 1499 aus der Sammlung Langer. Das
Bruchstück wird heute in der Wiener Nationalbibliothek aufbewahrt.
2.
(Johannes Glogoviensis:) Signatio, deutsch o. J. (um 1498).
Anfang und Ende fehlen. Anfang des Bruchstückes: ¶ Von dem heirſch || …
Heiriſch wirt dz iar an vil endẽ ķderben vñ auch ďmagñ
|| Das xiij. Ca. von… Schluß-Bl. (1)v, Zeile 36: ¶ Das xx. ca. Uon dem
ſtand der Behem || ¶ Dz volkh auß Behem wirt in dem Lentz haben
feintschafft || krankhait vnd widerwertikait Im Sumer werdñ ſy wandrn || 4°;
— ? Bll.; erhalten: nur ein Blatt; – unnumeriert und ohne Signatur; –
einspaltig, ohne Seitenüberschrift. – 38 Zeilen – Text: Type 1;
Überschriften: Type 6. – Kein Wz.
Auch dieses nur aus einem einzigen Blatte bestehende Kalenderbruchstück wurde
aus einem Einband losgelöst und befindet sich ebenfalls in der Budapester
Universitätsbibliothek.
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Der Vergleich dieser „Praktik” mit den übrigen von Winterburger gedruckten und für uns erreichbaren Kalender zeigt, daß sie sich von dem von Joseph Gruenpeckh für das Jahr 1496 gedruckten „Prognosticon” (Dolch 15) in Aufbau und Einteilung vollkommen unterscheidet, hingegen mit dem von Johannes Glogoviensis für Das Jahr 1499 gedruckten „Signatio” genau übereinstimmt. Sogar die Titel der einzelnen Abschnitte können als einander entsprechend bezeichnet werden.
Die Kapitelüberschriften
des Johannes Glogoviensis: Signatio anni 1499: |
Die Kapitelüberschriften
des deutschsprachigen Kalenderbruchstücks: |
Wir dürfen daher ruhig annehmen, daß unser Bruchstück
die deutschsprachige Ausgabe der „Signatio” des Johannes Glogoviensis ist.
Bezüglich des Erscheinungsjahres bietet uns
der Text keinerlei Anhaltspunkte. Nach den uns zur Verfügung stehenden Quellen
hatte jedoch Winterburger seine – im Bruchstück vorkommende – Type 6 seit
1497 benutzt. Die Numerierung der Kapitel 13 bis 16 weicht von jener des Jahres
1499 ab. Da diese Kapitel aus dem früher beschriebenen Kalenderbruchstück für
das Jahr 1498 fehlen, haben wir keine Möglichkeit zum Vergleich. Der gleiche
Fundort beider Bruchstücke gestattet jedoch die Annahme, daß Kalender aus dem
gleichen Jahr als Makulatur für den Einband verwendet wurden.
Zusammenfassend darf man sagen, daß das Bruchstück aus der deutschsprachigen
Übersetzung der „Signatio” von Johannes Glogoviensis stammt, die
Winterburger möglicherweise für das Jahr 1498 gedruckt hatte.
3.
Somnia Danielis. – Cicero: Somnium Scipionis. o. J. (nach 1500).
Bl. (1)r: In hoc libello continentur || Somnia Danielis. || Sõniũ
Scipionis M. T. ciceronis || Animi cauſa lectori pulcherrima. ||
Holzschnitt (122×100 mm.): links kniender König; über ihm: Rex Nabuchodono-||ſor
adorauit eum || uelut deum. || In der Mitte eine Säule. Rechts steht Daniel,
mit schwarzer Kappe auf dem Kopf. Über ihm: Daniel expoſitor ||
ſomniorum. Bl. (1)v: EXORDIVM || eine Zeile leer || (Q9)Vanĝ
indies uetera ſolêt
ab recentib9 || obrui… Schluß-Bl. 2(aii)r,
Zeile 36: … illicitum diuinare. || Bl. 2(aii)v: INCIPIVNT INTERPRETATIONES
SOM-||NIORVM DANIELIS PROPHETE. || In diebus Nabuchodoſor regis Babilonis qñ
petebaţ
Daniel a || principibus …; || (A8)B
Imperatore oſculari uel cum es loqui: lu-||crum… Schluß-Bl. 9(c)v, Zeile
17: …homini || ſomnium eſſe uerum. || FINIS || M. T. CICERONIS:
SCIPIONIS || Somnium: eius operis quod de || R. P. conſcripſit:
reliquae || Bl. 10(cii)r: SOMNIVM SCIPIONIS EX CICERO-||NIS LIBRO: DE REPVBLLCA (!)
|| EXCERPTUM. INcipit. || (C5)VM
IN AFRICAM VENISSEM A MAN-||lio… Schluß-Bl. 12(c1)v,
Zeile 32: …ſolutus ſum. || FINIS || Imrpeſſum(!) vuienne
|| per Io. W. ||
4°; – 12 nn. Bll.; ohne Cust.; Sign.: a–c4;
– ohne Seitenüberschrift; einspaltig; 36 Zeilen (aber von b4v
bis c3r: 37 Zeilen); – Titel: Type 9 (nur die
drei Anfangszeilen), Text: Type 12; – Geschn. Anfangsbuchstaben: Bl. (1)v: Q (Rankenornament);
Bl. 2(aii)v: A (Linearornament mit Figuren); Bl. 10(cii)r: C (Figuren); –
keine Lombarden; – ein Holzschnitt; – Wz. kleiner Kreis (2,4 cm), zweimal
durchstrichen (Schelle?).
Ein Exemplar des Druckes wird in der Nationalbibliothek Széchényi, Budapest,
aufbewahrt (Signatur: Ant. 3202), wohin es aus dem Nachlasse des Grafen
Alexander Apponyi gekommen ist. Apponyi hat das Buch aus der Bibliothek
Kelmscott-House des berühmten Bibliophilen William Morris erworben, wie das
Exlibris auf der Innenseite des Einbandes beweist.
Das Exemplar hat Julius Végh beschrieben[1]
und in der in der Anmerkung genannten Schrift das Faksimile des Titelblattes
bekanntgegeben. Végh hat aber das Buch fälschlich mit dem von Dolch unter Nr.
145 beschriebenen Werk (GW 7937) identifiziert.
Übrigens ist die oben bekanntgegebene Ausgabe ein Verlagskolligat: Ihr erster
Teil „Somnia Danielis” ist mit dem Text der schon erwähnten
Winterburger-Ausgabe identisch; ihr zweiter Teil ist das „Somnium Scipionis”
von Cicero. Der Gesamtkatalog der Wiegendrucke kennt aus dem 15. Jahrhundert
keine derartige Zusammenstellung.
Zur Ermittlung des Erscheinungsjahres der hier bekanntgegebenen Ausgabe haben
wir außer der Type keinen weiteren Hinweis. Die beiden verwendeten Typen hat
Winterburger seit 1500 gebraucht. Infolgedessen können wir nur sagen, daß
diese Ausgabe erst später erschienen ist.
4.
Johannes Holandrinus: Obligationum et insolubilium tractatulus, hrsg. von
Martin Edlinger. 28. Juli 1509.
Bl. (1)r: Magiſtri Joannis Holandrini || dialectici argutiſſimi
|| Obligati-||onũ ²
Inſolubiliũ tractatul9: || In
epitomatis cõpendiuz
facili breuitate redact9: || cum diuiſionibus
et || annotatiunculis || declaratorijs || adiectis. || Bl. (1)v: Thomas velocian9
Uiennê-||ſis
Achademie Rectoż:
doctiſſimo viro Martino Ed-||linger. Salutem ²
felicitatê.
|| (V8)Idi ego ſepenũero Martine
iucũdiſſime quo-||rundã… Schluß-Zeile 36: || profeſſore.
Uale. || Bl. 2(aii)r: Prefatio. || (U4)Tile
ac neceſſariũ eſt volenti debito ordine quicIJ
de || aliqua… Bl. 14(dii)v: … circa idem: igiţ.
|| Finis. || Bl. 15(diij)r: Sequiţ
tractat9 de inſolubilibus. || (C9)Irca
tractatũ insolubiliũ ſunt aliqua dubia mo-||uenda. Quoż … Bl. 19(eiij)v: …
patent in textũ. || Finis. || Bl. 20(eiv)r: Obligationũ et
Inſolubiliũ ma-||giſtri Joannis Holandrini o-||puſcula ģ
magiſtrũ Mar-||tinuz
Edlinger ex Wels || nuper ad breuitatem || compendioſam || redacta
ex-||pliciũt. || Impenſis et || opera Joannis || Winterburger ciuis ||
Uienneñ. impreſſa. An-||no domini. M. ccccc. viiij. die ||
viceſima octaua Menſis Julij.||
4°; – 20 nn. Bll. ; ohne Cust., sign. a–e4:
– einspaltig; ohne Seitenüberschrift; 38–39 Zeilen; – Titel, Überschrift
und Impressum: Type 9; Text: Type 6; Nebentext und Randglossen: Type 7; –
Lombarden: 8 und 15 mm. ; – Bl. (1)v: geschn. V und Bl. 15(diij)r: geschn. C:
weiße Ranken auf schwarz; – Wz. got. Krone; großer Ochsenkopf, Stengel,
Schlange, Kreuz.
Den Druck beschreibt die Langer-Dolchsche
Bibliographie[2]
nach Denis. Bis jetzt war jedoch kein Exemplar bekannt. Nun haben wir in Ungarn
zwei davon aufgefunden. Das eine ist in der Budapester Universitätsbibliothek
aufbewahrt (Signatur: Vet. 09/23), das andere in der Bibliothek des Raaber
bischöflichen Seminars (Signatur: XVII. 11. 37).
5. In der Langer-Dolchschen Bibliographie fungiert unter Nummer 37. die deutschsprachige „Praktik” für das Jahr 1504 von Stephan Rosslen, die er der Wiener Universität widmete. Die Beschreibung folgt auch hier nach Denis. Laut dessen Angabe befand sie sich im Einband eines Buches der Ofner Universitätsbibliothek, und Denis hielt Winterburger für ihren Drucker. Dolch konnte diese Behauptung nicht nachprüfen, weil man das Bruchstück in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg in der Budapester Universitätsbibliothek nicht auffinden konnte. Infolgedessen nahm Dolch das Bruchstück in seine Bibliographie zwar auf, hat jedoch im Inhaltsverzeichnis (Seite 166) Winterburger als dessen Drucker mit einem Fragezeichen versehen.
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Seitdem ist das
herausgelöste Bruchstück zum Vorschein gekommen (vgl. Abb. 3). Es wird heute
in der Budapester Universitätsbibliothek unter Signatur: Vet.04/10 aufbewahrt,
und wir können feststellen, daß sich Dolchs Bedenken als berechtigt erwiesen
haben. Der Kalender stammt nicht aus der Druckerei Winterburgers. Die
Nachprüfung der Type führte zu dem Ergebnis, daß die „Praktik” mit der
Buchstabentype 3 bezw. 4 Friedrich Creussners gedruckt wurde,[3]
die der Drucker mit kleinen Abänderungen seit 1485 gebraucht hat.[4]
Creussner druckte seinen für 1499 bestimmten Einblattkalender[5]
mit den gleichen Typen. Über die Tätigkeit dieses Nürnberger Buchdruckers im
XVI. Jahrhundert haben wir nur eine einzige Angabe bei Benzing,[6]
auch diese ohne Jahreszahl. Es ist unsicher, ob diese Type zu Ende des Jahres
1503 – als die „Praktik” gedruckt wurde – noch Creussner gehört hat.
Jedenfalls erschienen in Nürnberg zahlreiche andere Kalender mit sich auf Wien
beziehenden Angaben. So beispielsweise jener für das Jahr 1499 bei Ambrosius
Huber[7]
und die Tannstetterschen Kalender für die Jahre 1509 und 1513 bei Wolfgang
Huber.[8]
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6.
Constitutiones synodales ecclesiae cathedralis Strigoniensis. 14. April 1494.
Bl. (1) leer. Bl. 2(a 2)r: (I)Ncipiunt… (fehlt) || nes noue… || ſie
Strig… || (S4)Icut do… || tur: in lib…
Schluß-Bl. 20(c4)v, Zeile 12 (vgl. Abb. 4).
4°; – 20 nn. Bll., ohne Cust., sign. a–b8,
c4; einspaltig, ohne Seitenüberschrift, 37
Zeilen; – Titelzeilen: Type 2, Text: Type 1, Überschriften: Type 3. –
Lombarden: 16, 8 und 4 mm. ; Bl. 2 (a2) r: geschn. I (cca. 165 mm. hoch). –
Wz. ?
Diese Ausgabe beschrieb Péterffy[9] und die
Bibliographien, wie Denis, Panzer, Hain, Langer-Dolch usw., erwähnen sie
seitdem nach seinen Angaben. Im Laufe meiner Untersuchungen gelang es mir
festzustellen, daß Péterffy die Abschrift eines in der erzbischöflichen
Bibliothek in Agram auch heute noch vorzufindenden Exemplars benutzt hat. Das
Originaldruckwerk hat auch er nicht gekannt.
Eine ausführliche Besprechung obiger Constitutiones[10] werde ich
demnächst zu dieser Zeitschrift veröffentlichen.
A cikk a bécsi Winterburger-féle műhely (1492–1519) hat olyan termékét ismerteti, amely a korábbi szakirodalomban ismeretlen, vagy csak hallomása alapján említett volt. Most a leírás mind példány alapján történt.
[1] Végh Gyula: Rariora et curiosa gróf Apponyi Sándor gyűjteményéből. – Rariora et Curiosa aus der Sammlung des Grafen Alexander Apponyi. Budapest 1925. Nr. 42.
[2] Dolch, Walter: Bibliographie der österreichischen Drucke des XV. und XVI. Jahrhunderts. Hrg. von Eduard Langer. Wien 1913. 55.
[3] Veröffentlichungen der Gesellschaft für Typenkunde des XV. Jahrhunderts. Taf. 1–2460. Leipzig 1907–1939. 649, 1126.
[4] Catalogue of books printed in the XVth century now in the British Museum (BMC). II. London 1912. 446.
[5] Einblattdrucke des XV. Jahrhunderts. Halle/Saale 1914. 335.
[6] Benzing, Josef: Buchdruckerlexikon des 16. Jahrhunderts. Frankfurt am Main 1952. 129.
[7] Einblattdrucke des XV. Jahrhunderts. Halle/Saale 1914. 337.
[8] Dolch, Walter: Bibliographie der österreichischen Drucke des XV. und XVI. Jahrhunderts. Hrg. von Eduard Langer. Wien 1913. 129.
[9] Péterffy, Carolus: Sacra concilia ecclesiae romano-catholicae in regno Hungariae. I–II. Posonii 1741–1742. I. 216–33 – Péterffy, Carolus: Sacra concilia ecclesiae romano-catholicae in regno Hungariae. I. Viennae 1742. 203–219.
[10] Dolch, Walter: Bibliographie der österreichischen Drucke des XV. und XVI. Jahrhunderts. Hrg. von Eduard Langer. Wien 1913. 11.