6. Der lateinische Name der Stadt Wien in Druckwerken

Biblos (Wien) 1982. Nr. 3. 251–253.

In den ersten lateinischen Druckwerken, die in Wien noch im 15. Jahrhundert hergestellt wurden, kommt der Name der Stadt in der Form „Wienna”[1] bzw. „Vienna”[2] vor. Auch in den Text eingebettet, findet man ähnliche Benennungen: „in urbe Wiennen”,[3] „in Wienensi civitate”,[4] „in urbe Vienna”.[5] „Wienna” war die verbreitetste mittelalterliche lateinische Namensform der Stadt, die seit dem 11. Jahrhundert gebraucht[6] und später auch als „Vienna geschrieben wurde.

In den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts tauchen in den Wiener Druckwerken weitere neue Formen auf. Alle diese sind auf die immer intensivere Tätigkeit der Humanisten in der Donaumetropole zurückzuführen. Diese bemühen sich, den lateinischen Namen von Wien in der Römerzeit festzustellen. So glaubte der italienische Aeneas Sylvius (der spätere Papst Pius II.) um die Mitte des 15. Jahrhunderts, daß „castra Flaviana” die klassische Benennung von Wien wäre.[7] Und tatsächlich ist die Formel „in urbe superioris Pannoniae, que olim Flaviana, nunc Vienna” in drei Missalien von 1507 bis 1514 zu finden, die in Wien gedruckt worden sind.[8]

Ein besonderes Problem entstand dadurch, daß die alte französische Stadt Vienne bei Lyon – trotz einer etymologisch grundverschiedenen Ableitung – in der lateinischen Sprache mit der Hauptstadt des heutigen Österreich eine identische Namensform besitzt. So tauchten mehrere Wendungen rasch hintereinander in Wiener Druckwerken auf, die alle die Zugehörigkeit der Stadt zu Österreich – im Gegensatz der anderen zu Frankreich – betonen: „in urbe Viennensi Austriaca”,[9] „in urbe Vienna Austriaca”.[10] Diese Benennungen des Druckortes wurden meistens in der Typographie des Johannes Winterburger gebraucht, die in den Jahren 1492 bis 1519 in Wien zuerst allein tätig war. Ab 1510 erhielt Winterburger eine Konkurrenz: Hieronymus Vietor und Joannes Singrenius gründeten eine neue Offizin, in der zumeist Werke für die Humanisten hergestellt wurden. Gleich im Jahre 1510 steht mehrmals die Lokativform „Viennae Austriae” zur Benennung des Druckortes im Impressum.[11] Diese Formel blieb in den lateinischen Werken, die in Wien in lateinischer Sprache gedruckt wurden, fast bis heute erhalten.

Für kurze Zeit trugen mehrere Wiener Druckwerke auch die Bezeichnung „Vienna Pannoniae”. Zum ersten Mal kam sie im Jahre 1509 vor.[12] Auch diese Namensform stammt natürlich von den Humanisten, welche die Geschichte der Römer auch in Wien eingehend studierten. Sie konnten dabei feststellen, daß die Grenze der Provinz Pannonia Superior westlich von der heutigen Stadt Wien verlief, wodurch diese Benennung begründet war.[13] „Viennae Pannoniae” wurde – parallel mit der oben erwähnten „Viennae Austriae” – ab 1510 in der Typographie von Vietor & Singrenius gebraucht.[14] Aus der Periode zwischen 1510 und 1624 sind etwa hundert Druckwerke bibliographisch bekannt, die durch „Viennae Pannoniae” gekennzeichnet sind. Besonders oft – etwa zwanzigmal – kommt sie im Jahre 1511 bei Vietor & Singrenius vor; hingegen ist die Formel „Viennae Austriae” dort nur zweimal zu finden. Auch in den folgenden drei Jahren hat „Viennae Pannoniae” im Vergleich mit „Viennae Austriae” das Übergewicht (9:5, 7:5, 7:5). Zwischen 1515 und 1517 jedoch änderte sich die Situation: „Viennae Austriae” führte gegenüber „Viennae Pannoniae” (8:5, 9:6, 8:6). Später stand wieder häufiger „Pannonia” als „Austria” (1518, 10:3; 1519, 6:1). Das letzte Jahr, in dem „Viennae Pannoniae” überwiegt, ist 1521. Von 1509 bis 1524 begegnet man jedenfalls alljährlich der pannonischen Benennung in Wiener Druckwerken.

Später dann, ab 1529, sind noch etwa zwei bis drei Dutzend von Druckwerken mit „Viennae Pannoniae” bezeichnet. Im Gegensatz zu früher wird diese Namensform nicht nur von Vietor und Singrenius, sondern auch von anderen Druckern gebraucht: so 1548 von Adler und 1548/49 von Kohl. Auffallend ist dabei – wenigstens aus ungarischer Sicht – wie oft die Druckwerke mit „Viennae Pannoniae”, vor allem in den vierziger Jahren des 16. Säkulums, eine ungarische Beziehung haben.[15] So läßt es sich eher verstehen, daß „Pannonia” zuletzt auf dem Titelblatt des ungarischen Gesetzbuches von István Werbőczy verwendet wurde, das im Jahre 1561 bei Singrenius junior gedruckt worden ist: „Viennae Pannoniae Superioris”.[16]

Die Namensform „Viennae Pannoniae” ist also allein aus dem verhältnismäßig kurzen Zeitraum von 1509 bis 1549, 1561 und nicht einmal in anderthalb hundert Wiener Druckwerken bekannt. Nur aufgrund dieser begrenzten Verwendung ist es begreiflich, daß die Handbücher der geographischen Bezeichnungen in lateinischer Sprache diese Form nicht kennen.[17]

Der richtige klassisch-lateinische Name der Stadt Wien wurde endgültig erst durch den berühmten Hofbibliothekar Peter Lambeck (Lambecius) festgestellt. Er lautet „Vindobona”. Das erste Wiener Druckwerk mit dieser Bezeichnung war der „Catalogus” des Lambecius aus dem Jahre 1673. Hier ist im Impressum zu lesen: „Vindobonae sive Wiennae Austriae”.[18] Lambeck fand es also damals noch notwendig, die neue Namensform zu erklären. Sechs Jahre später dagegen verwendete er nur mehr „Vindobonae”, und zwar in seiner Arbeit „Apparatus primus”.[19] Die Parallelität zwischen „Viennae Austriae” und „Vindobonae” bestand fast bis heute. Die These Lambecks wurde zwar in wissenschaftlichen Kreisen bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts angezweifelt,[20] später jedoch allgemein anerkannt.[21] Allerdings erschienen im 19. Jahrhundert immer weniger Wiener Drucke in lateinischer Sprache, wodurch die Bedeutung der richtigen Namensform mehr oder minder uninteressant wurde.

Bécs latin neve a nyomtatványokon

A cikk sorraveszi azokat a névalakokat, amelyek a legrégibb bécsi nyomtatványokon a megjelenés helyét kívánták jelölni. Az általános „Vienna” (és ennek különböző helyesírású alakjai pl. Wienna) mellett ennek még számos bővített alakja is olvasható. Ilyen volt „in urbe superioris Pannoniae, que olim Flaviana, nunc Vienna” (1507-1514), mert egyesek - tévesen - úgy hitték, hogy „castra Flaviana” volt a város eredeti latin neve. A franciaországi Vienne városának azonos latin alakjától történő megkülönböztetés végett kiegészítés tűnt szükségesnek. A leggyakoribb ezek között a „Viennae Austriae”, de előfordult „in urbe Viennensi Austri­aca”, „in urbe Vienna Austriaca” is. Miután a mai Bécs területe a rómaiak Pannonia tartományában feküdt a „Viennae Pannoniae” (1510–1624) megjelölést is sokat használták. Különös előszeretettel a magyar vonatkozású kiadványoknál, utalva ezzel a közös római tartományra. Miután Peter Lambeck, a bécsi udvari könyvtáros biztonságosan megállapította, hogy a rómaiak korában a város elnevezése „Vindobona” volt, 1673-tól mind gyakrabban e szóval jelölték latinul az itt készült könyveket.


[1] 1482. – Dolch, Walter: Bibliographie der österreichischen Drucke des XV. und XVI. Jahrhunderts. Hrg. von Eduard Langer. Wien 1913. Nr. 1.

[2] 1494. – Dolch, Walter: Bibliographie der österreichischen Drucke des XV. und XVI. Jahrhunderts. Hrg. von Eduard Langer. Wien 1913. Nr. 11. – Das Antiquariat (Wien). 1957. Nr. 3. 70–71.

[3] 1494. – Dolch, Walter: Bibliographie der österreichischen Drucke des XV. und XVI. Jahrhunderts. Hrg. von Eduard Langer. Wien 1913. Nr. 12.

[4] 1495. – Dolch, Walter: Bibliographie der österreichischen Drucke des XV. und XVI. Jahrhunderts. Hrg. von Eduard Langer. Wien 1913. Nr. 15 a.

[5] 1500. – Dolch, Walter: Bibliographie der österreichischen Drucke des XV. und XVI. Jahrhunderts. Hrg. von Eduard Langer. Wien 1913. Nr. 24.

[6] Grienberger, Theodor v.: Vindobona, Wienne. Eine etymologische Untersuchung. Wien 1894. 20.

[7] Geschichte der Stadt Wien. I. Wien 1897. 174.

[8] Dolch, Walter: Bibliographie der österreichischen Drucke des XV. und XVI. Jahrhunderts. Hrg. von Eduard Langer. Wien 1913. Nr. 44, 69, 84.

[9] 1506. – Dolch, Walter: Bibliographie der österreichischen Drucke des XV. und XVI. Jahrhunderts. Hrg. von Eduard Langer. Wien 1913. Nr. 42.

[10] 1511. – Dolch, Walter: Bibliographie der österreichischen Drucke des XV. und XVI. Jahrhunderts. Hrg. von Eduard Langer. Wien 1913. Nr. 65.

[11] Denis, Michael: Wiens Buchdruckergeschicht(e) bis 1560. Wien 1782. Nr. 34–39.

[12] Dolch, Walter: Bibliographie der österreichischen Drucke des XV. und XVI. Jahrhunderts. Hrg. von Eduard Langer. Wien 1913. Nr. 51.

[13] Das Gebiet von Wien kam verwaltungsmäßig kurz nach der Eroberung des späteren Pannonien (12 v. Chr.) von Noricum zu Pannonien. Unter Traian (zwischen 103 und 107) wurde dann Pannonien geteilt: Pannonia Superior (West) und Pannonia Inferior (Ost). (Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft. Supplementband IX. Stuttgart 1962. 583, 586.)

[14] Denis, Michael: Wiens Buchdruckergeschicht(e) bis 1560. Wien 1782. Nr. 32, 33.

[15] Apponyi, Alexander [von]: Hungarica. Ungarn betreffende im Ausland gedruckte Bücher und Flugschriften. I–IV. München 1903–1927. Nr. 281, 298, 301. – RMK III. 370.

[16] Mayer, Anton: Wiens Buchdrucker-Geschichte 1482–1882. I. Wien 1883. Nr. 306. – RMK III. 486.

[17] [Deschamps, Pierre:] Dictionnaire de géographie ancienne et moderne. Paris 1870. – Graesse, J[ohann] G[eorg] Th[eodor]: Orbis Latinus, oder Verzeichnis der wichtigsten lateinischen Orts- und Ländernamen. Berlin 1909. – Graesse – Benedict – Plechl: Orbis Latinus. Lexikon lateinischer geographischer Namen des Mittelalters und der Neuzeit. I-III. Braunschweig (1972).

[18] Mayer, Anton: Wiens Buchdrucker-Geschichte 1482–1882. I. Wien 1883. Nr. 1531.

[19] Mayer, Anton: Wiens Buchdrucker-Geschichte 1482–1882. I. Wien 1883. Nr. 1998.

[20] Geschichte der Stadt Wien. I. Wien 1897. 177.

[21] Eine ähnliche Verschiebung bei der lateinischen Namensform im Laufe der Jahrhunderte ist bei der Stadt Zürich zu beobachten, wo die frühere Lokativform „Tigurini” später immer mehr durch „Turici” bzw. „Turigi” und „Turegi” ersetzt wurde.




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