21. Brevier-Wiegendrucke in der Diözesanbibliothek von Rottenburg am Neckar

Gutenberg-Jahrbuch (Mainz) 1985. 140–142.

In der Diözesanbibliothek von Rottenburg am Neckar habe ich zwei alte gedruckte Breviere registriert, die in den Katalog ohne Impressum-Angaben aufgenommen wurden. Nach eingehender Prüfung konnte ich diese Bände identifizieren. Im folgenden möchte ich meine Ergebnisse kurz zusammenfassen.

I

Signatur F 404. Dieses Druckwerk im Folioformat schien schon auf den ersten Blick auffallend alt zu sein. Es wurde merkwürdigerweise mit Antiquatypen und ohne Anwendung von gedruckten Signaturen hergestellt. Die Numerierung der Hefte hat eine zeitgenössische Hand mit arabischen Ziffern auf die erste Seite der einzelnen Bogen unter der Mitte eingetragen.

Der Text wurde in zwei Spalten und in 33 Zeilen gesetzt. Daraus geht nicht eindeutig hervor, in welcher Diözese das Brevier zusammengestellt wurde, doch aufgrund der zuverlässigen Beschreibung des GW war es nicht allzu schwer, das Exemplar mit einer frühen Ausgabe des Breviarium Constantiense (GW 5316) zu identifizieren. Es handelt sich um das ziemlich seltene Produkt des „Druckers des Remigius”. Dieser Drucker soll vermutlich in Konstanz nicht nach 1476 tätig gewesen sein.[1]

Das Exemplar in Rottenburg ist ziemlich lückenhaft: von den mehr als 100 Bogen sind nur 22 erhalten geblieben. Diese sind – aufgrund der Beschreibung des GW 5316 – die folgenden:  
2. Rubrica generalis. Das erste Blatt ist am Schluß des Bandes eingebunden. Durch seine 40 Zeilen weicht dieses Blätt von allen übrigen des Breviers ab.[2] So fängt der Band mit dem zweiten Blatt an, wo ein großer Raum – mit etwa 58×58 mm – für den Anfangsbuchstaben „P” an der Vorderseite des Satzes freigelassen wurde.[3] Aus diesem Bogen fehlt ferner noch das letzte – 12. = leer – Blatt.      
6. Proprium de tempore. Pars aestivalis. Alle 20 Bogen dieses Teiles sind – mit wenigen Lücken – erhalten geblieben: es fehlt ein Blatt (89. = i9) mit Text, außerdem noch die drei leeren Blätter (38. – 40. = d8-10). 
3. Ordinarium officii. Dieser Teil ist komplett in der vom GW beschriebenen ersten Satzvariante erhalten geblieben.

Die oben angegebenen Teile dieses Konstanzer Breviers in Rottenburg sind in einem zeitgenössischen, ziemlich beschädigten Einband mit Messingbeschlägen zu finden: Rücken defekt, Schließen fehlen usw. Zum Einband wurde eine deutsche Pergamenthandschrift verwendet, welche auf St. Matthäustag 1477 datiert ist.

Die handschriftliche Numerierung der Hefte, die oben schon erwähnt wurde, gibt einige Anhaltspunkte zur Rekonstruktion dieses Bandes. An der ersten Seite des zweiten Bogens vom „Proprium de tempore” ist die Zahl „4” zu sehen. Daraus kann man schließen, daß also auf dem ersten Heft des Druckes sich das „Kalendarium” befand. Der letzte Bogen vom „Proprium de tempore” trägt die Zahl „22”, ihm folgt das „Ordinarium officii” mit der Zahl „24”. So kann man annehmen, daß ein weiterer Bogen früher hier noch vorhanden gewesen war, der heute fehlt. Zu diesem Brevierdruck gehört ausschließlich das „Officium dedicationis ecclesiae”[4] welcher Teil nur aus einem einzigen Bogen besteht.

II

Signatur: 10 198. Der Oktavband ist ein Breviarium Romanum, was aus dem Beginn des Hauptteils (A1a) hervorgeht, doch gibt es keinerlei weitere Angaben über seine typographische Herkunft, weil Anfang und Schluß des Druckwerks fehlen. Im Band sind folgende Teile mit den angegebenen Lücken erhalten geblieben: Psalterium. a8–i8 = [72] Bl. Fehlen: a8 b1-2, 7-8 g1-3, 6-8 h8 i8 Bl.
Proprium de tempore. A8–Y8Z6 = [182] Bl. Davon Bl. K6 defekt: Abriß mit Text­verlust.  
Proprium de sanctis. AA8–XX8 = [168] Bl. Officia annexa. aaa6 bbb6 ccc8 kkk6 = [26] Bl.
Commune sanctorum. aa8–cc8 + ? = [24 + ?] Bl.       
Fehlen: bbl-2, 4-5, 7-8 cc1-2, 7-8 + ? Bl. bb3 defekt: Abriß mit Textverlust.

Die Blätter wurden zu einer Zeit, als das Exemplar noch vollständig war, handschriftlich durchnumeriert, daher sind die Lücken leicht zu rekonstruieren.[5] Laut dieser handschriftlichen Blattzählung waren die Teile „Kalendarium” und „Tabulae” im Band schon früher nicht vorhanden.

Das Brevier wurde ohne Kustoden und Blattzählung in 34 Zeilen pro Seite und in zwei Spalten hergestellt. Da es nicht mit einem der im GW aufgeführten Breviere identifiziert werden konnte, mußte der Drucker anhand des typographischen Materials festgestellt werden. Im Band ist nur eine einzige Texttype – mit einem M91 laut Haebler – zu finden, deren Größe für 20 Zeilen 56 mm ist. Mit Hilfe des „Typen­repertorium der Wiegendrucke” von Konrad Haebler war zu ermitteln, daß das Brevier in der Offizin von Andreas Torresanus in Venedig gedruckt worden ist.[6] Auch die Lombarden mit 2 und 5 mm sind bei ihm zu finden.[7]

Torresanus stellte eine ganze Reihe von gedruckten Brevieren her: der GW[8] registrierte von ihm aus den letzten zwei Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts 32 Ausgaben.[9] Das Breviarium Romanum ist von ihm in 14 verschiedenen Ausgaben bekannt: drei in Folioformat,[10] alle anderen in Oktavformat.[11] Die erwähnte Texttype Nr. 13 ist in seinen Brevieren nur in der Zeit zwischen 1489 und 1496 zu finden: teilweise gemischt mit einer anderen Type,[12] teilweise allein[13] wie in Rottenburg. Die Texttype ermöglicht eine Datierung „um 1490”.

Torresanus brauchte in seinen Brevierdrucken meistens sowohl Kustoden als auch Blattzählung, doch erschienen einige auch ohne diese Merkmale: nicht nur in der früheren Periode,[14] sondern auch etwas später.[15] So spricht also auch diese Besonderheit nicht gegen die obige Datierung. Allein die Zeilenzahl von 34 in Rottenburg war in keinen anderen Brevier-Ausgaben von Torresanus zu finden: von ihm wurden eher andere[16] bevorzugt.

Von den Breviarium-Romanum-Ausgaben von Torresanus sind die von 1489[17] und 1492[18] dem Rottenburger am meisten ähnlich: diese wurden auch als einzige mit derselben Texttype hergestellt. Wenn man das lückenhafte Exemplar von Rottenburg mit diesen Drucken vergleicht, so kann man annehmen, daß ein Kolophon mit den genauen Impressum-Angaben einst auch hier vorhanden war. Besonders die Ausgabe 1489 zeigt mehrere Ähnlichkeiten: die Einteilung und die Anwendung der Signaturen sind identisch. Dazuhin kann man annehmen, daß das „Commune sanctorum” noch etwa 12 – 16 weitere Blätter in ein oder zwei Bogen enthalten hat, die heute in Rottenburg fehlen.

Auch im Text von Rottenburg kann man mit der Ausgabe von 1489[19] eine charakteristische Identität feststellen: am Anfang vom „Proprium de tempore” ist der Satz „In christi nomine amen” zu lesen. In den gedruckten Brevieren von Rom aus dem 15. Jahrhundert ist diese Wendung lediglich in zwei weiteren Fällen[20] zu finden. Diese zwei letzten Ausgaben bieten auch eine Möglichkeit, weitere Zusammenhänge im Text festzustellen. In Rottenburg bilden im Anschluß an das „Proprium de sanctis” vier Hefte die „Officia annexa”. Obwohl diese sich nicht in der Ausgabe von 1489[21] befinden, kommen in den zwei weiteren[22] „Officia annexa” vor. In beiden kann man Textteile[23] entdecken, die auch in Rottenburg vorhanden sind. Die Hefte der „Officia annexa” tragen eine Signatur, die aus drei kleinen Buchstaben besteht: aaa6 bbb6 ccc8 und kkk6. Man könnte annehmen, daß sechs Bogen hier fehlen, doch widerspricht die handschriftliche Blattzählung dieser Vermutung. Es ist eher anzunehmen, daß es sich um Bogen handelt, die man in verschiedenen Brevieren verwenden konnte.[24] So ist in einer oben erwähnten Ausgabe von Torresanus[25] aus diesem Teil nach Heft ccc8 nur ddd10 und dann gleichfalls kkk6 erhalten geblieben.

Zurückkommend auf die handgeschriebene Blattzählung sei noch erwähnt, daß man dabei ein Versehen feststellen kann. Nach dem Blatt 464 (bb7) fehlen drei Blätter (bb7, cc1 und cc2), doch an dem nächsten Blatt (cc3) ist 469 statt 468 zu finden. Auch die folgenden drei noch vorhandenen Blätter (cc4-6) setzen diese falsche Zählung fort.

Die bibliographische Beschreibung dieses bis jetzt unbekannten Wiegendrucks im Stil des GW lautet folgendermaßen:

Breviarium Romanum. [Venedig: Andreas Torresanus um 1490.] 8° 2 Sp. 34 Z. Type: 13: 56 G. Init: g, l. Rubr.: ε. Schwarz und rot gedruckt.  
Kalendarium und Tabulae unbekannt.

1. Psalterium.       
72 Bl. Sign.: a8–i8.   
Bl. 1–10 unbekannt Bl. 11 a a m. Sign. biii: ces manibus·c müdo corde: || qui non accepit in vano… Bricht ab Bl. 52 b Sign. G5b
â Z. 34: pedibus meis verbü tuum: z ||

2. Proprium de tempore.    
182 Bl. Sign.: A8–Y8Z6.         
Bl. 1aa m. Sign. A rot: C In chrifti nomine amen. || Incipit breuiariü pm cö fue-||tudinem romane curie. In || primas vefperas Cap. || schwarz: [9] Ratres: || Scientes || quia ho-||ra eft iam || nos de f ö-||no furge-||re: nunc|| … Endet Bl. 182 bß Z. 32 rot… de || aduentu cü cantätur ane ma-||iores: fcilicet schwarz: O fapientia.

3. Proprium de sanctis.     
168Bl. Sign.: AA8–XX8.         
Bl. 1aa m. Sign. AA rot: C Incipiit officia g pria de      
|| fanctis per anni circulü. In || fefto fci faturnini martyris. || schwarz [7] Eus q rot: Oro. || schwarz. nos beati fa-||turnini mar-||tyris tui con||cedis natali-||cio Pfrui: … Endet Bl. 168 bßZ. 32: … vale-||rianu3 ad coronas vocabat. || rot: pfal. vt in cöi virginuß. Ant. ||

4. Officia annexa.  
26 Bl. Sign. aaa6 bbb6 ccc8 kkk6.      
Bl. 1aa m. Sign. aaa: Expanfis manib9 orabat ad || dnß vt eä eripet de inimicis. || rot: Am. – schzvarz: Ant. Cilicio cecilia membra || domabat: … Endet Bl. 26 b ß Z. 22: … dicit dominus. Rot: ·yw schwarz: Di||rigatur domine. rot: Oratio vt fu||pra. Et fit commemoratio de || fefto fequenti. ||

5. Commune sanctorum.   
24 + ? Bl. Sign. Aa8–cc8 + ? 
Bl. 1aa m. Sign. aa, rot. Incipit cömune fancto||rum. In natalicijs apoftolo-||rum ad vefperas. Capitulü. || schwarz: [6] Ratres: Iam || non eftis hof pi-||tes z aduene: p || ef tis ciues … Bricht ab Bl. 24 bß Z. 32: … In dedi||catione tepli decätabat pplus || laudem: z in ore eoru3 dulcis ||      
Rottenburg am Neckar DiözB

Abgesehen von den zwei oben beschriebenen und früher unbestimmten Brevierwiegendrucken ist in Rottenburg auch ein drittes Werk aus dieser Kategorie zu finden: Signatur 6772. Bei der Identifizierung bereitete das Breviarium Praemonstratense aus dem Jahre 1500 keine Schwierigkeit: sowohl der Titel als auch die Jahreszahl ist im Druckwerk zu sehen. Das Brevier in Oktavformat wurde vom GW 5232 in die Reihe der Produkte der Straßburger Offizin von Johann Prüss eingeordnet. Im Exemplar von Rottenburg sind folgende Teile zu finden:

I. Pars hiemalis.  
    2. Psalterium. Nur das erste Blatt (a1) fehlt.        
    4. Commune sanctorum. Komplett.

II. Pars aestivalis.           
    Proprium de tempore. – Proprium de sanctis.    
    Komplett, nur das letzte (CC8), leere Blatt fehlt.

Wie alle Brevierdrucke des 15. Jahrhunderts, ist auch diese Ausgabe ziemlich selten: der GW führt nur sechs Exemplare auf.[26]


Õsnyomtatvány breviáriumok a Rottenburg am Neckar egyházkerület könyvtárában

A németországi Rottenburg am Neckar evangélikus egyházkerülete könyvtárában két impresszum nélküli, régi nyomtatott breviáriumot õriznek. Bibliográfiai meghatározásuk során kiderült, hogy az egyik igen korai „Breviarium Constatiense” erõsen csonka példánya, amelyet a „Remigius nyomdásza” legkésõbb 1476-ben állított elõ Konstanzban (GW 5316). A másik a „Breviarium Romanum” korábbról ismeretlen kiadása, amelyet 1490 táján Andreas Torresanus készített Velencében.


[1] Geldner, Ferdinand: Die deutschen Inkunabeldrucker. I. Stuttgart 1968. 159.

[2] Diese Zeilenzahl ist im GW nicht angegeben.

[3] Reproduktion bei Geldner, Ferdinand: Die deutschen Inkunabeldrucker. I. Stuttgart 1968. 160.

[4] GW 5316. Teil 9.

[5] Bei der nachträglichen, genaueren Beschreibung der beiden Brevierdrucke aus Rottenburg leistete Christoph Weismann (Tübingen) mir wesentliche und wertvolle Hilfe, wofür ich ihm meinen besten Dank auch hier zum Ausdruck bringe.

[6] Type 13. = Haebler, Konrad: Typenrepertorium der Wiegendrucke. I–V. Halle/Saale 1905–1924. II. 139, III. 328–329.

[7] 2 mm = 1,5 mm = „g”: Haebler, Konrad: Typenrepertorium der Wiegendrucke. I–V. Halle/Saale 1905–1924. V. 105. – Es ist hier anzumerken, daß die kleineren Lombarden konsequent allein im Psalterium vorkommen.

[8] Haebler, Konrad: Typenrepertorium der Wiegendrucke. I–V. Halle/Saale 1905–1924. I. 740.

[9] Dazu kommt noch eine Ergänzung: GW 5109/10.

[10] GW 5107, 5108, 5168.

[11] GW 5137, 5138, 5161, 5162, 5109/10, 5166, 5110, 5171, 5112, 5113, 5115.

[12] 10*: 58 G – 1490 = GW 5166, 5195; 1494 = GW 5203; 1495 = GW 5113; 1496 = GW 5115.

[13] 1489. = GW 5109/10 – 1490. = GW 5225 – 1492. = GW 5110.

[14] 1481. = GW 5137 – 1482. = GW 5138 – 1483. = GW 5508.

[15] 1487. = GW 5500 – 1490. = 5225 – 1491. = GW 5197.

[16] Meistens 35, 36, 40, seltener 33, 38, 39 Zeilen.

[17] GW 5109/10.

[18] GW 5110.

[19] GW 5109/10.

[20] 1493. = GW 5140 – 1500. = GW 5123.

[21] GW 5109/10.

[22] GW 5140, 5123.

[23] Beispielsweise: In conceptione S. Marie = GW 5140, S. Bonaventura = GW 5123.

[24] GW 5123 Anm.

[25] GW 5166.

[26] Ferner ist der zweite Teil noch in der Bibliothek der Akademie in Leningrad vorhanden.




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