22. Eine unbekannte Ausgabe des „Ordinarius Strigoniensis”

Gutenberg Jahrbuch (Mainz) 1990. 82–83.

Die erste Druckerei in Ungarn unter der Leitung von Andreas Hess in der Hauptstadt des Landes bestand schon relativ früh, nämlich seit 1473.[1] Der zweite Drucker brachte das „Confessionale” von Antoninus Florentinus (GW 2108) heraus. Er war höchstwahrscheinlich auch in Buda tätig.[2] Ab 1480 lag in Ungarn der Buchdruck für fast ein halbes Jahrhundert darnieder. Das bedeutet natürlich keineswegs, daß man in dieser Zeit und in diesem Land keine Bücher brauchte. Die wichtigsten Werke wurden vielmehr im Ausland (in Deutschland, in Italien und in Frankreich) hergestellt.

In Buda waren in dieser Periode beispielsweise über zehn Buchhändler tätig, die gleichzeitig auch Bücher verlegten, bis 1526 das mittelalterliche Ungarn in der Schlacht von Mohács durch die Türken unterging. Heute kennt man über 60 Publikationen von diesen Verlegern.[3] Es gibt noch weitere Druckwerke, die aber keinen Hinweis auf einen ungarischen Verleger tragen, doch für die Kirche in Ungarn hergestellt wurden.

An der Spitze der kirchlichen Hierarchie steht – seit tausend Jahren – der Erzbischof von Esztergom (Gran; lat. Strigonium), der Primas von Ungarn. Als „prima inter pares” spielte diese Kirchenprovinz immer eine führende Rolle im Land. So ist es zu verstehen, daß die meisten Ritualbücher von Ungarn eben für Esztergom gedruckt wurden. Aber zwanzig Ausgaben von Missalien,[4] fast ein Dutzend Ausgaben von Brevieren,[5] acht Ausgaben des „Obsequiale Strigoniense”[6] usw.

Auch die liturgische Vorschrift für das ganze Kirchenjahr für die Erzdiözese von Esztergom, der „Ordinarius Strigoniensis”, ist in mehreren Ausgaben erschienen:

1. 1496 Nürnberg, bei Georg Stuchs (RMK III. 35.).[7]

2. 1505 Venedig, bei Lucantonio Giunta (RMK III. 134.).

3. 1509 Venedig, bei Lucantonio Giunta (RMK III. 165.).

4. 1510 Lyon, ohne Druckername (RMK III. 166.).[8]

5. 1520 Venedig, bei Lucantonio Giunta (RMK III. 238.).

In der Kapitelbibliothek von Olmütz ist eine weitere Ausgabe des „Ordinarius Strigoniensis” vorhanden.[9] Das Bändchen im Oktavformat besteht aus elf Heften mit je acht Blättern, wobei das erste und das letzte Blatt unbedruckt blieben; sie dienten als Schmutzblätter. Vergleicht man die somit sechs Ausgaben miteinander, so ist es leicht möglich, eine Chronologie allein aufgrund der typographischen Ausstattung herzustellen. Im Jahre 1520 wurde eine Paginierung vorgenommen. Die Ausgaben aus dem ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts besitzen ein gedrucktes Titelblatt und tragen einen lebenden Kolumnentitel. Die Ausgabe von 1496 besitzt alle diese Merkmale nicht. Das Werk in Olmütz scheint noch älter zu sein: weder Blattzählung noch Titelblatt oder Kolumnentitel sind hier zu finden, und mit dem zweispaltigen Satz weicht es von allen anderen ab. Auch dem Umfang nach steht es mit seinen nur 88 Blättern an der Spitze der Chronologie (1496: 98 Blätter, 1509: 110 Blätter und 1520: 136 Blätter) und ist die älteste, bis jetzt unbekannte Ausgabe des Ordinarius Strigoniensis.

Die Druckerbestimmung war nicht besonders schwierig. Es handelt sich eindeutig um Type 13 des Nürnberger Druckers Georg Stuch.[10] Die Ausgabe von 1496 hat er mit seiner Type 12[11] hergestellt. Die Differenz zwischen beiden Typen ist auch in der Zahl der Zeilen pro Seite zu beobachten: 37 in der Ausgabe von Olmütz, 32 in der von 1496. Die Type 13 wurde von Stuchs seit 1493 benutzt,[12] so kann man also die nun entdeckte Inkunabel vom „Ordinarius Strigoniensis” zwischen 1493 und 1496 ansetzen.

Georg Stuchs besaß ein auffallend reiches typographisches Material von 18 verschiedenen Typen. Er war auf dem Gebiet von liturgischen Druckwerken – neben Erhardt Ratdolt – am Ende des 15. Jahrhunderts die bedeutende Figur in ganz Deutschland. In erster Linie arbeitete Stuchs für die Diözesen von Mittel-, Ost- und Nordeuropa, also für die Gebiete der heutigen Bundesrepublik Deutschland und der DDR, dann für Schweden, Polen, die Tschechoslowakei und für Österreich und Ungarn. Der Nürnberger Drucker stellte mehrere Ausgaben verschiedener liturgischer Bücher auch für die Diözese von Esztergom her:

1484 Breviarium Strigoniense. GW 5469. 
1490 Missale Strigoniense. HC 11430.     
1496 Ordinarius Strigoniensis. C 4511.    
1496 Obsequiale Strigoniense. CIH 2461.
1498 Missale Strigoniense. C 4239.

Statt einer diplomatisch getreuen Beschreibung im Stil vom GW werden die erste und die letzte gedruckte Seite (a2a und 17a) wiedergegeben.


Az „Ordinarius Strigoniensis” ismeretlen kiadása

Az esztergomi fõegyházmegyének az egész évre szóló liturgikus elõírásait tartalmazza az „Ordinarius Strigoniensis”. Ennek korábban öt kiadása volt ismeretes a Mohácsot megelõzõ évtizedekbõl. Az olmützi káptalan könyvtára õrzi e mûnek eddig ismeretlen és ráadásul legrégebbi kiadását, amelyet - a nyomdai kiállítás tanúsága szerint – 1493 és 1496 között állított


[1] Borsa Gedeon: Zeilenhöhe-Probleme bei der ersten Druckerei von Ungarn. In: Gutenberg Jahrbuch 1989. 97–100.

[2] Csapodi Csaba: Wo war die zweite ungarische Inkunabeldruckerei tätig? (Buda oder Pozsony/Preßburg?). In: Gutenberg Jahrbuch 1983. 163–165.

[3] Borsa Gedeon: Le livre dans l’Europe de la Renaissance. In: Actes du XXVIIIe Colloque international d’Etudes humanistes de Tours. (Nantes 1988). 170–181.

[4] Hubay Ilona: Missalia Hungarica. Budapest 1938.

[5] Az Országos Széchényi Könyvtár Évkönyve (Jahrbuch der Ungarischen Nationalbibliothek Széchényi) 1958. 229–237.

[6] Magyar Könyvszemle (Ungarische Bücherschau) 1962. 210–217.

[7] RMK III. – In dieser Bibliographie sind die Werke zu finden, die von ungarländischen Verfassern bzw. für Ungarn nicht in ungarischer Sprache und außerhalb von Ungarn gedruckt wurden.

[8] Bei Baudrier (Baudrier, Henri Louis: Bibliographie lyonnaise. I–XII. Lyon 1895–1921.) nicht vorhanden.

[9] Sogar in zwei Exemplaren: Olomouc, Kapitelbibliothek: Ink. 139. und P 176.

[10] M49 72 mm – Veröffentlichungen der Gesellschaft für Typenkunde des XV. Jahrhunderts. Taf. 1–2460. Leipzig 1907–1939. 1221.

[11] M49 84 mm – Veröffentlichungen der Gesellschaft für Typenkunde des XV. Jahrhunderts. Taf. 1–2460. Leipzig 1907–1939. 1220.

[12] Catalogue of books printed in the XVth century now in the British Museum (BMC). II. London 1912. 467.




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