29. Zwei unbekannte Pariser Drucke von 1501 und 1502

Gutenberg-Jahrbuch 1975 (Mainz) 100–105.

Paris war – neben Venedig – der größte Druckort des 16. Jahrhunderts. Die etwa Tausend Drucker und Verleger produzierten mehrere Zehntausende von Büchern in dieser Zeit. Philippe Renouard hat mit der Registrierung der Produzenten und Produkte von alten Pariser Drucken einen respektablen Dienst geleistet. Hatte er selbst nur einen Teil des von ihm zusammengetragenen Materials publiziert,[1] so ging seine handschriftliche Sammlung glücklicherweise nicht spurlos unter, sondern gelangte vielmehr in die besten Hände. Mit Unterstützung der Stadt Paris erschienen nämlich mehrere sehr wichtige Publikationen aus seinem Nachlaß.[2] In der letzten Zeit wurde – auch mit Hilfe von Erben Renouards – ein besonders interessanter Versuch zur Bewältigung der außerordentlich umfangreichen Aufgaben in Angriff genommen, die mit der Registrierung der Pariser Druckwerke aus dem 16. Jahrhundert zusammenhängen.[3] Die Absicht geht dahin, alle Pariser Druckwerke des 16. Jahrhunderts in einer kurzen, aber doch mit den wichtigsten Angaben versehenen Form chronologisch zu registrieren.

Alle neuen bibliographischen Publikationen von Niveau rufen ihrerseits wieder die Ergänzungen hervor, womit die Redakteure natürlich von Anfang an gerechnet und sie sogar erhofft haben. Ich hatte die Gelegenheit, die Art der Bearbeitung des Renouard-Nachlasses in der Bibliotheque Nationale (Paris) persönlich kennenzulernen. Alle diese Umstände ermutigten mich, die Pariser Druckwerke aus den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts, die in der ungarischen Fachliteratur früher schon registriert wurden, im „Inventaire chronologique” zu kontrollieren. Diese Arbeit bietet für uns eine wertvolle Bereicherung unserer Kenntnisse über Fundorte alter Pariser Druckwerke mit ungarischen Beziehungen. Auch eine für uns früher unbekannte Ausgabe tauchte dabei auf. Es handelt sich um das Werk „Evagatorium”, das auch die Predigten von Michael de Hungaria enthält und im Jahre 1505 von Jean Petit in Paris herausgegeben wurde.[4] Doch bei der Kontrolle der ungarischen Fachliteratur kam eine andere Ausgabe von Michael de Hungaria zum Vorschein, die ebenfalls von Jean Petit verlegt wurde. Dieses Druckwerk vom 22. Dezember 1501 ist jedoch im „Inventaire chronologique” nicht zu finden.[5] Für die ungarische Bibliographie war damals nur das Exemplar der Universitätsbibliothek von Uppsala (Schweden) in der Ausgabe 1501 bekannt. Im Jahre 1925 gelang es der Ungarischen Nationalbibliothek, ein Exemplar von diesem Druckwerk aus Zagreb (Jugoslawien) von Mirko Breyer für 1850 Dinare zu erwerben. So bestand für mich die Möglichkeit, das Werk eingehend zu studieren.

Der im Oktavformat um 1600 hergestellte Lederband enthält drei Publikationen von Jean Petit:

1. Articuli fidei. S. 1., a. & typ. nom.

2. Sermones Michaelis de Hungaria. Paris 22. Dezember 1501.

3. Speculum finalis retributionis von Petrus Reginaldetus. Paris 15. Juli 1502: Pierre Le Dru.

Nicht nur das zweite, oben schon erwähnte Druckwerk ist im „Inventaire chronologique” unbekannt, sondern auch das erste. Dagegen wurde das dritte Stück (sogar auch dieses Exemplar !) unter 1502, Nr 114 schon registriert.

Von den zwei bibliographischen Novitäten fehlt bei der ersten der Drucker und das Datum, bei der zweiten allein der Name des Typographen.

Zuerst habe ich mich bemüht, die Presse von Michael de Hungaria zu bestimmen. Glücklicherweise war es möglich, auch im Fall dieses Druckes aus dem 16. Jahrhundert (allerdings aus seinem ersten Jahr) das Typenrepertorium von Konrad Haebler in Anspruch zu nehmen. Bei der Texttype handelt es sich mit M49 bei Haebler um eine weit verbreitete Type, die von einer ganzen Reihe von Pariser Druckern in den letzten Jahren des 15. Jahrhunderts gebraucht wurde. Bei der genauen Untersuchung war festzustellen, daß man einige charakteristische Lettern finden kann. Das ist vor allem das französierende große „E” und weiterhin das Rubrikzeichen. So konnte man die Type bei Félix Baligault finden: es handelt sich um die Type 2 mit der Rubrik bei Haebler.[6] Alle anderen typographischen Materialien der Ausgabe von Michael de Hungaria sind auch bei Baligault zu finden: die drei Titelzeilen mit dem Rubrum sind mit der Type 14 und mit der Rubrik â,[7] die 4 mm hohen Anfangsbuchstaben mit der Lombarde „i”[8] identisch.


Die Druckerbestimmung der Ausgabe vom 22. Dezember 1501 ist also eindeutig. Das letzte sicher datierte Druckwerk, das man Félix Baligault in der Fachliteratur bis jetzt zuschreiben konnte, stammt vom 30. Dezember 1500, seine Tätigkeit läßt sich jedoch mindestens bis 1502 verfolgen.[9] Dieser nun für Baligault bestimmte Druck ist also der erste sicher datierte Druck aus dem 16. Jahrhundert.[10]

Die „Sermones predicabiles per totum annum” von Michael de Hungaria enthalten 122 Blätter (mit einer Kollation A10a8-o8)[11] und haben 32 Zeilen je Seite. Auf dem Titelblatt trägt das Werk die Verlegermarke von Jean Petit, die von Haebler mit Nr III gekennzeichnet wurde. Haebler hat dabei folgendes geschrieben: „Bis zur Mitte des Jahres 1500 war dagegen die rechte untere Ecke soweit unverletzt, daß die beiden parallelen, einen rechten Winkel bildenden Linien deutlich erkennbar blieben (Zustand III a). Erst zu Anfang des Jahres 1501 wird auch diese Ecke stumpf und die beiden Linien fließen ineinander über (III b).[12] „ Haebler reproduzierte in seiner Arbeit die verschiedenen Zustände dieser Marke.[13] Er band die oben beschriebene Abstumpfung der rechten unteren Ecke mit der ähnlichen Deformation der linken unteren Ecke zusammen; dadurch unterscheidet sich Zustand III a von III b.

Dagegen kommt diese Verlegermarke von Jean Petit auf dem Titelblatt dieses Druckwerkes vom 22. Dezember 1501 in gemischter Form vor: die linke Ecke ist schon deformiert, doch ist die rechte Ecke noch nicht stumpf. Der Zustand III b ist auf dem Titelblatt des Werkes von Petrus Reginaldetus, das am 15. Juli 1502 von dem Drucker Pierre Le Dru beendet wurde, klar zu erkennen: die beiden unteren Ecken sind nicht mehr unversehrt. Die Beschädigung der linken Ecke entstand also früher (um Mitte 1500?) als die an der rechten Ecke. Diese Änderung sollte laut Titelblatt von Michael de Hungaria vom 22. Dezember 1501 erst aus dem Jahre 1502 herrühren. So besteht die Möglichkeit, den Zustand dieser Verlegermarke in der Zeit zwischen Mitte 1500 und Mitte 1502 noch feiner zu differenzieren und die Druckwerke ohne Datum noch genauer zu bestimmen.

Der erste Druck in dem nun publizierten Sammelband trägt an seinem Titelblatt dieselbe Verlegermarke von Jean Petit wie der zweite und dritte. Der Zustand der Marke auf dem Titelblatt des Werkes „Articuli fidei”, das ohne Datum erschien, steht zwischen den zwei anderen vom 22. Dezember 1501 und 15. Juli 1502. Die beiden unteren Ecken sind schon beschädigt (also nach 22. Dezember 1501), doch die rechte senkrechte Umrahmungslinie weist noch weniger Lücken auf als in dem Werk von Petrus Reginaldetus (also vor 15. Juli 1502).[14]

Nach der Bestimmung des Druckdatums blieb noch übrig, den Typographen von „Articuli fidei”, einem auf acht Blättern ohne Signatur mit 24 Zeilen pro Seite hergestellten Druckwerk, zu bestimmen. Auch die hiesige Texttype gehört zu derselben, sehr verbreiteten Pariser Gruppe mit M 49 bei Haebler, die oben bei Michael de Hungaria schon erwähnt wurde. Doch auch hier half das Glück: die typographische Ausstattung des Werkes ist mit der Arbeit von Petrus Reginaldetus – beendet von Pierre Le Dru am 15. Juli 1502 – identisch.[15] Diese früher unbekannte Ausgabe der „Articuli fidei” hat also Pierre Le Dru in der ersten Hälfte des Jahres 1502 für Jean Petit gedruckt.


Két ismeretlen párizsi nyomtatvány 1501-ből és 1502-ből

Párizs – Velence mellett – a korai nyomdászat fővárosa volt. Philippe Renouard hatalmas anyaggyűjtéséből több kiadvány is táplálkozik a 16. században ott megjelent könyvek bibliográfiai feltárása során. Ezek közül az egyik időrendben regisztrálja ezeket, amelynek első kötetéhez (1501–1510) közöl a cikk két korai párizsi nyomtatványról adatokat.

Az egyik Michael de Hungaria „Sermones” c. munkájának 1501. december 22-én közreadott kiadása, amelyet tipográfiai kiállítása alapján Félix Baligault állított elő, akinek 1500 utáni tevékenysége eddig ismeretlen volt. A fenti kiadvánnyal egy kötetben maradt fenn az Országos Széchényi Könyvtárban az „Articuli fidei” c. mű impresszum nélküli kiadása, amely címlapján Jean Petit, a kor legnagyobb párizsi kiadójának jelvényét viseli. Ugyancsak tipográfiai összehasonlítás alapján tisztázható volt, hogy ez a korábbról ismeretlen kiadás Pierre Le Dru műhelyében készült 1502. első felében.


[1] Renouard, Philippe: Imprimeurs parisiens, libraires… Paris 1898. – Renouard, Philippe: Les marques typographiques parisiennes des XVe et XVIe siècle. Paris 1926.

[2] Renouard, Philippe: Répertoire des imprimeurs parisiens. Paris 1965. 7.

[3] Inventaire chronologique des éditions parisiennes du XVIe siècle par Brigitte Moreau … d’aprés les manuscrits de Philippe Renouard. I. 1501–1510. Paris 1972.

[4] Inventaire chronologique des éditions parisiennes du XVIe siècle par Brigitte Moreau … d’aprés les manuscrits de Philippe Renouard. I. 1501–1510. Paris 1972. 1505, Nr. 143.

[5] RMK III. 98.

[6] Haebler, Konrad: Typenrepertorium der Wiegendrucke. I–V. Halle/Saale 1905–1924. II. 293. – Claudin Anatole: Histoire de l'imprimerie en France an XVe et an XVIe siècle. I–IV. Paris 1900–1914. II. 193–195. – Veröffentlichungen der Gesellschaft für Typenkunde des XV. Jahrhunderts. Taf. 1–2460. Leipzig 1907–1939. 2256. – Catalogue of books printed in the XVth century now in the British Museum VIII. London 1949. 169 und Taf. XXIVF unter 64G2. – Hier möge erwähnt werden, daß die Kegelhöhe der Type in dem besprochenen Druckwerk etwas kleiner (62–63 mm für 20 Zeilen) ist, als in der zitierten Literatur (64 mm) angegeben wird.

[7] Haebler, Konrad: Typenrepertorium der Wiegendrucke. I–V. Halle/Saale 1905–1924. II. 294, V. 125.

[8] Haebler, Konrad: Typenrepertorium der Wiegendrucke. I–V. Halle/Saale 1905–1924. V. 152.

[9] Renouard, Philippe: Imprimeurs & libraires parisiens du XVIe siècle. II. Paris 1969. 316.

[10] Jean Petit ließ bei Félix Baligault schon früher drucken: z. B. am 27. Juni 1500. – GW 9647.

[11] Bl. o8 fehlt in dem Exemplar der Ungarischen Nationalbibliothek.

[12] Haebler Konrad: Verlegermarken des Jean Petit. Halle 1914. 5.

[13] Haebler Konrad: Verlegermarken des Jean Petit. Halle 1914. 8.

[14] Jean Petit ließ das Werk „Articuli fidei” einige Jahre früher, um 1498, bei Guy Marchant drucken (GW 2725), etwas später, um 1510, nochmals bei Nicolas de La Barre (Inventaire chronologique des éditions parisiennes Brigitte Moreau … d’aprés les manuscrits de Philippe Renouard. I. 1501–1510. Paris 1972. 1510. Nr. 16).

[15] Catalogue of books printed in the XVth century now in the British Museum (BMC). VIII. London 1949. 189, XXVIIF tab. – 64 G2.




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