20. Zur Registrierung der Drucke des 16. Jahrhunderts in der
Österreichischen Nationalbibliothek*

Mitteilung der Vereinigung österreichischen Bibliothekare 1987. 97–108.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kollegen, Ich bedanke mich bei der Vereinigung Österreichischer Bibliothekare und persönlich bei Herrn Hofrat Dr. Neuhauser für die ehrende Einladung, Ihnen über die Registrierung der Druck werke des 16. Jahrhunderts in der Österreichischen Nationalbibliothek einen Kurzbericht zu geben. Wenn ein Ausländer sich bei Ihnen in dieser Angelegenheit äußert, ist dieses Treffen dadurch schon international geworden. Es sei mir darum erlaubt, die Angelegenheit der Bibliographie und der Katalogisierung von alten Drucken auch international ganz kurz zu untersuchen.

Die älteste Kategorie der Drucke bilden die Inkunabeln. Für die globale Registrierung dieser übernahm der Gesamtkatalog der Wiegendrucke (GW) die Verantwortung schon in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts. Seine Publizierung geht jedoch äußerst langsam voran und bezieht sich natürlich nicht auf die genaue Beschreibung der Exemplare. Dadurch blieben also mehrer Gebiete für die Einzelbearbeitungen übrig. In die erste Gruppe gehören Lokalbibliographien für die einzelnen Länder (z.B. für Spanien) oder Städte (z.B. nun schon zum zweiten Mal für Neapel). Eine wesentlich größere Gruppe bilden die einzelnen Wiegendruckkataloge. Hier kann man gleich zwei Unterabteilungen unterscheiden: die erste, wo die Inkunabeln nur bibliographisch erfaßt sind, und die zweite, wo man auch die Einzelheiten des Exemplars (Einband, Provenienz usw.) finden kann.

Die Zahl dieser Kataloge aus der ersten Kategorie ist recht groß, wovon die weitaus wichtigsten die großen zusammenfassenden Länderkataloge sind. Hier führen die Amerikaner mit ihrem schon dritten Census von Goff und die Italiener mit ihrem IGI, doch besitzen eine solche Zusammenstellung auch die Belgier, die Polen, die Ungarn. Nun arbeiten die Fachleute auch in Großbritannien an der Zusammenstellung eines Gesamtkatalogs. Die andere Abteilung der Inkunabelkataloge enthält auch konkrete Angaben über die Exemplare, wodurch solche Publikationen auch nach der Beendigung der Veröffentlichung des GW – vielleicht im 21. oder 22. Jahrhundert – weiterhin aktuell sein werden. Die Zahl solcher Kataloge von Wiegendrucken ist aber leider recht beschränkt. In Bayern wurden davon mehrere Bände von Frau Dr. Hubay veröffentlicht, und nun wartet die Fachwelt auf den Katalog der Bayerischen Staatsbibliothek, die im Besitze der zahlenmäßig weitaus größten Inkunabelsammlung ist. In Österreich wählten die Kollegen die zweite, also die weitaus anspruchsvollere Lösung, und zwar durch die genaue Katalogisierung der einzelnen Sammlungen.

Die bibliographische und die bibliothekarische Bearbeitung der Inkunabeln ist also weltweit ziemlich gut vorangekommen; deshalb bemühen sich nun die Fachleute in der ganzen Welt immer mehr und mehr um die Druckwerke des 16. Jahrhunderts. Diese Werke sind inhaltlich wesentlich interessanter als die Wiegendrucke.[1] Doch wirkt die Zahl von Büchern, die in diese Kategorie gehören, oft schon fast lähmend. Man muß nämlich mindestens mit einer zehnfachen Zahl kalkuliere, wenn man die Angaben des 15. und 16. Jahrhunderts miteinander vergleicht. (Diese Zahlen aus dem 16. Jahrhundert sind noch recht unsicher.) Wie schauen also diese Zahlen – natürlich ganz grob gerechnet – in diesen zwei Epochen aus? Bei den bibliographischen Einheiten: 30 000 zu etwa 400–500 000, bei den Exemplaren: kaum eine halbe Million zu etwa 10 Millionen, bei den Offizinen: 1 100 zu etwa 12 000.

Diese hohen Zahlen sind ja oft wirklich bedrückend! So ist es zu verstehen, daß keine durchdachte, internationale Unternehmung – abgesehen von dem aus mehreren Gesichtspunkten problematischen Index Aureliensis – zur Erfassung der Druck werke des 16. Jahrhunderts bis heute entstand. Meistens konnten nur die Länder mit einer zahlenmäßig kleineren Produktion dieser Zeit (England, Dänemark, Schweden, Portugal, Ungarn usw.) ihre retrospektive Nationalbibliographie für diese Periode zusammenstellen. Die „Riesen” dieser Kategorie – also Deutschland, Italien und Frankreich – beschäftigen sich eben in diesen Jahrzehnten damit, diese große Arbeit zu verwirklichen, weil die Druckwerke des 16. Jahrhunderts äußerst wichtige, fast unentbehrliche Dokumente für die Geschichte aller Wissenschaftszweige bilden. So kann man vielleicht hoffen, daß man nach einigen Jahrzehnten über einen wesentlich besseren Überblick über die Buchproduktion des 16. Jahrhunderts verfügen könnten wird. Auch die einzelnen Bibliotheken beschäftigen sich in einem im mehr größeren Kreis in der ganzen Welt, um ihre Bücher aus dieser Periode – abgesondert und etwas eingehender – zu bearbeiten. Diese Tendenz besteht nun auch in Österreich. Dadurch sind wir also schon zu unserem eigentlichen Thema gekommen, nämlich diese Aufgabe an der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB) zu besprechen.

Der Bestand von mittelalterlichen Handschriften und von Inkunabeln der ÖNB gehört zu den führenden Sammlungen der ganzen Welt. Eine eindeutige Skala ist hier wegen der divergenten Beurteilung der Zahlenmäßigkeit und des inhaltlichen Wertes kaum aufstellbar. Die British Library würde z.B. ihre Wiegendrucksammlung mit dem zahlenmäßig weit überlegenen Inkunabelbestand der Bayerischen Staatsbibliothek kaum tauschen. Doch steht fest, daß man die Reihefolge der ÖNB in beiden obige Kategorien mit einer äußerst beachtenswerten, einstelligen Ziffer ausdrücken kann. Die Gesamtzahl der Druckwerke des 16. Jahrhunderts war aber weder katalogmäßig noch aufstellungsgemäß erfaßbar. Eine geringe Abhilfe, einen Überblick über die alten Druckbestände zu erhalten, war die Durchschrift eines Zettelkataloges, der vor mehr als 25 Jahren im Zuge der Bemühungen der Heitz-Verlag (heute Valentin Koerner in Baden-Baden), alle Drucke des 16. Jahrhunderts als Grundlage für einen Gesamtkatalog dieses Zeitraums – also für den schon erwähnten Index Aureliensis – zu ermitteln, entstand. Dazu wurden in privater Lohnarbeit stückweise berechnete maschinenschriftliche Abschriften aus dem handschriftlichen Nominalkatalog (Berichtszeit 1501-1929) hergestellt, und zwar blieb davon ein Exemplar an der ÖNB und das zweite ging an die erwähnte Firma über.

Aus Erfahrung wußte man schon, daß dieser sogenannte Heitz-Katalog von Anfang an unvollständig war; in welchen Bereichen und in welchem Ausmaß konnte erst im Laufe der späteren Arbeit festgestellt werden. Aufgrund der quantitativen Voraussetzungen war es unmöglich, vom Bestand oder vom Katalog her die Drucke des 16. Jahrhunderts neu zu erfassen: vom Bestand her nicht, weil große Magazinsbereiche überprüft werden hätten müssen, von den Katalogen nicht, weil etwa 1,2 Millionen Katalogzettel durchzusehen gewesen wären. Trotz der Mängel des Heitz Kataloges mußte also von diesem ausgegangen werden. Im Laufe der Kontrollarbeit wurden die Hauptmängel des Heitz Kataloges offensichtlich. Es fehlen Katalogaufnahmen:

  1. von mehreren Schachteln des handgeschriebenen Nominalkataloges, obwohl sie ein Erscheinungsjahr des 16. Jahrhunderts aufweisen, aber offensichtlich irrtümlicherweise übersprungen wurden,

  2. die wohl kein Druckdatum tragen, aber eindeutig bzw. nach der Überprüfung Drucke des 16. Jahrhunderts repräsentieren,

  3. von Drucken des 16. Jahrhunderts, die aus verschiedenen Gründen im vornhinein nicht im Hauptkatalog der Druckschriftensammlung enthalten sind.

Zur quantitativen Komplettierung des Heitz-Kataloges war daher methodisch folgendermaßen vorzugehen: bei Durchsicht sämtlicher Standortkataloge (Prunksaal-Konkordanzen und Einlaufbücher) wurden alle Drucke mit einem Erscheinungsjahr des 16. Jahrhunderts, und in einer anderen Liste alle Drucke ohne jede Erscheinungsjahrangabe (sofern das 16. Jahrhundert aufgrund des Autors oder des Titels als Erscheinungszeitrau m nicht von vornherein auszuschließen war) erfaßt. Insgesamt wurden mehr als 40 000 Titel aus der ersten Kategorie herausgefiltert und mit dem Heitz-Katalog verglichen. Allein jene Drucke, die wohl eine Jahreszahl des 16. Jahrhunderts tragen, aber im Heitz-Katalog fehlen, erreichten die Zahl von 2 000.

Die methodisch und quantitativ größte Problematik verursachten die „sine anno”-Drucke, also jene Drucke, die keine Erscheinungsangabe tragen. Im Gegensatz von einigen Bibliotheken (z.B. UB Graz), wo die Titelaufnahmen in diesem Fall eine annähernde, erschlossene Datierung des katalogisierenden Bibliothekars enthalten, befinden sich nicht weniger als gleichfalls etwa 40 000 solche „ohne Jahreszahl”-Beschreibungen im alten Nominalkatalog. Alle etwa 4000 Bände aus dem Prunksaal und nur etwa 1000 Bände aus den 36.000 solchen Werken aus dem großen Magazin wurden autopsiert. Diese zweite Gruppe ist in einigen sogenannten „Nestern” zu finden. Für die Neuaufstellung und später für die Erwerbung ist es charakteristisch, daß die älteren Bücher mit Jahreszahl bzw. ohne Jahreszahl meistens dicht nebeneinander stehen. Aus dem großen Magazin wurden die undatierten Werke deswegen nur in der Gegend der datierten Druckwerke des 16. Jahrhunderts autopsiert. Theoretisch besteht also die Möglichkeit, daß noch weitere Bücher aus dem 16. Jahrhundert sich außerhalb von diesen „Nestern” verstecken, ihre Zahl könnte aber in der Praxis relativ gering sein. Sicher besteht gar kein aus ökonomischem Gesichtspunkt vertretbares Verhältnis zwischen der Zahl dieser und zwischen der unbesichtigt gebliebenen etwa 35 000 Bände. Die autopsierten, undatierten Drucke wurden kategorisiert, wie folgt:

  1. Erscheinungszeitraum jedenfalls 16. Jahrhundert

  2. Erscheinungszeitraum jedenfalls später als 16. Jahrhundert

  3. Erscheinungsjahr „um 1600” (also noch aufzunehmen zur genaueren Bestimmung)

  4. Erscheinungsjahr vor 1501 (Inkunabeln, also auszuschalten).

Diese letzte und kleinste, aber keineswegs unwichtigste Gruppe bilden also die erkannten Inkunabeln. Bis jetzt wurden 36 Wiegendrucke bibliographisch identifiziert und der Inkunabelsammlung übergeben. Aus den etwa 5000 autopsierten Drucken waren etwa 1500 als jedenfalls nicht dem 16. Jahrhundert zugehörig auszuscheiden. Aus der ersten und dritten Kategorie wurden etwa 600 Drucke aufgrund des Umstands, daß der Drucker genannt bzw. mit Signeten gekennzeichnet wurde, genauer datiert und gegebenenfalls lokalisiert. Dazu ist mein „Clavis” besonders geeignet. Es handelt sich um eine Weltliste von Druckern und professionellen Verlegern, die vor 1601 tätig waren. Davon ist bis heute nur der italienische Teil erschienen, doch wurde das Material im großen und ganzen schon zusammengestellt. Mein „Clavis typographorum librariorumque” enthält die Jahresgrenzen und den Ort der Tätigkeit von weit über 10 000 Personen nach drei Gesichtspunkten geordnet: nach Namen (mit wesentlich mehr Namensvarianten), nach Orten und nach Jahren. Wenn eines oder zwei von diesen drei Elementen des Impressums in einem Druckwerk fehlen, so kann man mit der Hilfe des „Clavis” meistens die fehlenden Angaben ergänzen.

Bei den anderen fast 3000 undatierten Drucken, die den Druckernamen nicht tragen, muß man die Lokalisierung und die Datierung in weiteren Schritten versuchen:

  1. Identifizierung der Ausgabe in den größten gedruckten Katalogen (z.B. British Library, Bibliothèque Nationale, National Union Catalog) , in den wichtigsten gedruckten Spezialbibliographien (Index Aureliensis, Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des 16. Jahrhunderts (VD 16), Edizioni italiane del XVI sècolo, Répertoire bibliographique des livres imprimès en France au seizième siècle, die Serien von Renouard für Paris, Baudrier für Lyon usw.) und Übernahme der Datierung und Lokalisierung bei Plausibilität.

  2. Datierung aus dem Inhalt der Drucke: Ereignisdaten, Text-, Vorwort-, Dedikationsdatierung u. dgl.

  3. Datierung aufgrund äußerer Kriterien: Einband, handschriftliche Datierungen und sonstige Eintragungen, Vorbesitzernamen, Exlibris, Kolligate, eingeklebte Makulatur, Drucktypen, Holzschnitte u. dgl.

Aus der obigen kann man schon ahnen, was für ein große Arbeit es bedeutet, die undatierten Druckwerken aus dem Bestand einer Großbibliothek mit vielen alten Drucken wie die ÖNB herauszusuchen und zu bestimmen.

Ein weiteres Problem zu Ergänzung des sogenannten Heitz-Katalogs bildet die Feststellung der Drucke des 16. Jahrhunderts, die aus verschiedenen Gründen nicht oder zum Teil nicht im Druckschriftenkatalog aufscheinen. Das sind vor allem Drucke, die sich entweder aufgrund der äußeren Gestalt (z.B. Einblattdrucke) in Spezialsammlungen oder -aufstellungen befinden (Landkarten, Flugblätter, Neue Zeitungen, Anschläge u.dgl.) oder wegen ihres hauptsächlichen Inhalts nicht als Druckschriften angesehen werden (Atlanten, Musikdrucke, Periodika u.dgl.) Bei Überprüfung der in Frage kommenden Bestandsgruppen in der Musiksammlung, Kartensammlung, Fideikommissbibliothek, Flugblätter- und Plakatsammlung sowie Exlibrissammlung konnten etwa 2000 dem 16. Jahrhundert zuzuschreibende Drucke im Laufe der noch nicht abgeschlossenen Arbeit eruiert werden.

Als Ergebnis – der bisher erwähnten Arbeiten ist – die folgende Quantifizierung der Drucke des 16. Jahrhunderts an der ÖNB möglich:

datierte Drucke

35 500

im Prunksaal

 

3 500

in den Magazinen

 

2 000

in Sondersammlungen

etwa

41 000

 

bisher nicht gesondert erfaßte etwa Adligate

800

 

undatierte Drucke etwa

2 500

 

Der Gesamtbestand ist demnach mit nahezu 45 000 Drucken festzulegen. Damit gehört die ÖNB auch in dieser Kategorie zu den führenden Sammlungen der Welt, wenn auch nicht an einer so vornehmen Stelle, wie es der Fall bei den mittelalterlichen Handschriften und bei den Wiegendrucken ist. In den meisten größeren Sammlungen der Welt kann man zwischen Inkunabeln und Druckwerken des 16. Jahrhunderts ein Verhältnis von etwa 1 zu 8 oder 1 zu 10 feststellen. Aufgrund einer solchen Hochrechnung könnte man schon mit einer Zahl von etwa 60–70 000 Drucken aus dem 16. Jahrhundert kalkulieren. Es sieht also so aus, daß die Wiegendrucke bei der Erwerbung von Werken aus dem nächsten Jahrhundert gegenüber stets bevorzugt wurden.

Ein wesentliches Ziel bei der Bearbeitung der Katalog aufnahmen von Druck werken des 16. Jahrhunderts ist die Erreichung eines Standards, der eine Publizierung in Form eines gedruckten Bestandskatalogs ermöglicht. Deshalb werden die Heitz-Zettel laufend korrigiert. Die dazu führenden Arbeitsphasen sind folgende:

  1. Ergänzung von fehlenden bzw. Richtigstellung falscher Signaturen. Bei der Abschreibung wurden die Großbuchstaben aus dem handschriftlichen Nominalkatalog manchmal falsch gelesen. Bei Zehntausenden von Zetteln kommen ab und zu auch einige verfehlte Ziffern vor.

  2. Identifizierung von bibliographischen Dubletten bzw. Druckvarianten durch Autopsie. Dazu wurden etwa 4000 Bände durchgeblättert. Es erwies sich, daß die Differenzen zwischen Paralleldrucken nicht allein durch die jeweiligen Katalogisierungsvorschriften, wie die altösterreichische, die PI oder durch die RAK nicht zum Vorschein kommen, sondern auch selbst sogenannte diplomatische Druckbeschreibung als Identifikationsmittel oft ungenügend ist. So sind die Nachdrucke und Paralleldrucke dadurch kaum erfaßbar. Als alternatives Identifikationsmerkmal böte sich in erster Linie die Stellung der Bogensignaturen zum Text an. Durch diese Methode wurden nicht wenige Paralleldrucke, Varianten und Mischexemplare ans Tageslicht gebracht. Es handelt sich bei diesen Untersuchungen keineswegs um eine genaue Vergleichung der Exemplare, wie man es bei der analytischen Druckforschung – möglichst mit Hinmann Collator – durchführt, aber die mehreren Tausende von solchen Problemen ermöglichen nur eine knappe Kurzuntersuchung.

  3. Überprüfung der auf den Heitz-Zetteln angegebenen Adligate. Es handelt sich um etwa 2 500 Bände, die bisher autopsiert wurden. Dadurch sind bis heute etwa 800 selbständige Drucke zum Vorschein gekommen, die früher im Heitz-Katalog nicht vorkamen. Es ist oft nicht leicht, die theoretische bibliographische Einheit – also die Absicht der gemeinsamen Veröffentlichung – in allen konkreten Fällen eindeutig und zweifellos festzustellen. Natürlich nimmt man dazu die Untersuchung der charakteristischen Stellen in Anspruch. Die sind bei der Feststellung von formellem Zusammenhang die folgenden: durchgehende Umfangbezeichnung, durchgehende Signatur, gemeinsames Register, durchgehender Kustos, gemeinsames Titelblatt oder ein anderer gemeinsamer Teil (z.B. Corrigenda). Abgesehen davon könnten noch weitere Merkmale vorkommen, die auf einen inhaltlichen Zusammenhang von meistens zwei (seltener von mehreren) Drucken hinweisen: z.B. der selbe Text in griechischer und in lateinischer Sprache von dem selben Drucker im selben Jahr (ab und zu sogar auf den selben Tag datiert) hergestellt, Kalender und Prognostikon, der selbe Titel mit der Bezeichnung von „theoretica” und „practica” usw, usw. Eine genauere theoretische Kategorisierung der Gesichtspunkte für die Feststellung des inhaltlichen Zusammenhanges ist natürlich nicht möglich. Die Beurteilung der bibliographischen Einheit ist also nicht selten recht problematisch, weil die Charakterzüge ab und zu ein ausgesprochenes Janus-Gesicht tragen .

  4. Identifizierung der Heitz-Zettel mit den wesentlichen Bibliographien, vor allem Index Aureliensis, VD 16 und Edizioni italiane del XVI sècolo. Dabei kommt eine charakteristische Mangelhaftigkeit der Beschreibung in der ÖNB äußerst oft zum Vorschein: im Falle von mehreren Druckern und Verlegern wurde nämlich immer allein ein einziger Name angegeben. Leider ist es auch nicht möglich, diesbezügliche Angaben der Fachliteratur mit geschlossenen Augen zu übernehmen, weil es nicht selten vorkommt (z.B. in Paris), daß die Exemplare eben aufgrund der Namen der Verleger mutiert sind. So ist eine Autopsie auch hier, wie bei allen oben schon erwähnten Kategorien, unentbehrlich.

Abgesehen von den Problemen der Katalogisierung in der ÖNB ist eine genaue Identifikation mit der Fachliteratur ab und zu recht problematisch. Das VD 16 gibt z.B. keine Erkennungsleseart bei den Paralleldrucken, die Beschreibung von Index Aureliensis bzw. bei den Italienern ist viel zu großzügig. Dank der Privatbeziehungen mit den erwähnten und auch mit anderen Redaktionen (z.B. GW in Berlin, Renouard in Paris), die sich mit der wichtigsten bibliographischen Bearbeitung der Drucke des 16. Jahrhunderts heute eingehend beschäftigen, läßt sich meistens früher oder später eine beruhigende Identifikation verwirklichen bzw. eine bibliographische Neuentdeckungsfeststellen.

Dazu braucht man aber nicht wenig Zeit und nicht wenig Energie. Dazu wünsche ich für uns alle Gesundheit und endlose Geduld. Letztere haben Sie schon eben jetzt beim Anhören meines Berichtes bewiesen, wofür ich mich bei Ihnen herzlichst bedanke.


  * Vortrag gehalten anläßlich der Sitzung der Kommission für Buch- und Bibliotheksgeschichte an der Universitätsbibliothek Wien (18.11.1987)


[1] Es ist natürlich eine große Frage, ob die Leute, die sich damit beschäftigen, dazu kommen können, nicht nur zu kollationieren, sondern auch zu lesen.




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