30. Die Buchdruckerfamilie Hoffhalter

Gutenberg Jahrbuch 1970. 225–229.

Raphael Hoffhalter, der von 1556 bis 1563 in Wien arbeitete, gehört zu den besten Typographen dieser Stadt. Höchstwahrscheinlich übersiedelte er wegen seiner protestantischen Auffassung anschließend nach Ostungarn bzw. nach Siebenbürgen. Die Erzeugnisse seiner Presse wurden in Debrecen (1565), in Nagyvárad (Großwardein, 1565–1566) und in Gyulafehérvár (Karlsburg, 1567–1568) hergestellt. Insgesamt sind mehr als 150 Druckwerke von ihm bekannt, davon etwa 130 aus Wien. Nach seinem Tode erschienen 1568–1569 noch etwa 15 weitere Drucke aus seiner Presse in Gyulafehérvár, teilweise unter dem Namen seiner Witwe. Sein Sohn Rudolf setzte die Tätigkeit des Vaters 1573–1574 in Westungarn, in der Gegend von Mur und Drau (Alsólindva und Nedelic) fort; von 1577 an arbeitete er – abgesehen von einer kurzen Periode (1584–1585) in Nagyvárad – bis zu seinem Tode 1586 ununterbrochen in Debrecen. Rudolf Hoffhalters Witwe führte dann die Offizin dort bis 1590 fort; aus seiner Presse stammen über 40 Drucke.

Diese Angaben, die zum größten Teil anhand der überlieferten Erzeugnisse der Hoffhalterschen Presse zusammengestellt wurden, sind im großen und ganzen in der Sekundärliteratur bekannt.[1] Dagegen wußte man bisher wesentlich weniger über die früheren Schicksale der Familie Hoffhalter, d. h. über die Zeit vor Raphael Hoffhalters Eintreffen in Wien. Im folgenden wird versucht, diese Lücke zu schließen, soweit es die überkommenen Dokumente erlauben.

Um 1525 wurde Raphael als Sohn von Joannes Skrzetusky und Margareta Ninieñska in Poznañ (Posen) geboren. Dieser polnischen Adelsfamilie entstammten weitere Kinder: Martin (Goldschmied und städtischer Dignitär), Georg (Seidenweber) und Anna.[2] Im Juni 1550 stellte der Stadtrat von Poznañ auf Raphaels Ersuchen eine Urkunde aus, durch die seine adelige Herkunft bestätigt wurde. Dieses Dokument führte zu der Annahme, daß er seine Heimatstadt in dieser Zeit verlassen habe. Im Licht der Zürcher Archivbestände jedoch ergibt sich ein anderes Bild.[3] Schon am 27. Juli 1549 heiratete er Kathrin Göldli im Großmünster von Zürich.

Ob Raphael Hoffhalter aus seiner Geburtsstadt direkt nach Zürich kam, ist unsicher. In der Widmung, die der ungarische Gelehrte Albert Szenci Molnár etwa 50 Jahre nach Raphaels Tod dem Werk „Idea Christianorum Ungarorum” von Paulus Thuri (Oppenheim 1616) beigab, wird Raphael „Belga“ genannt. Darum wurde gewöhnlich vermutet, Raphael sei auch in den Niederlanden gewesen; doch liegen hierüber sonst keine Angaben vor.

Schon in den ersten Zürcher Dokumenten begegnet er nicht als Skrzetusky, sondern unter dem Namen Hoffhalter. Diese Tatsache widerspricht den unbegründeten Vermutungen der Sekundärliteratur, wonach er den zweiten Namen zur Tarnung seiner Person in Wien angenommen habe und dazu wegen seiner protestantischen Auffassung gezwungen worden sei. In manchen Wiener Druckwerken nannte er sich selbst noch Skrzetusky. Der Namenswechsel läßt sich wohl aus der Härte erklären, mit der der polnische Name für deutsche Ohren klingen mußte. „Hoffhalter” soll wohl einen Mann bedeuten, der die Hoffnung auf Gott festhält; jedenfalls deutet darauf sein Druckerzeichen (siehe Abbildung), auf dem am Fuß eines Baumes das Wörtlein „spes“ (Hoffnung) zu sehen ist. Dazu paßt auch die Umschrift: „Omnia spe florent prospiciente Deo” (Alles in Hoffnung erblüht, wenn wir von Gott sind geführt).

Raphael Hoffhalters Aufenthalt in Zürich wurde früher nur vermutet;[4] sein Sohn Rudolf nannte sich in manchen seiner Druckwerke Tigurinus (Zürcher). Es war Leo Weisz, der die Dokumente über die Zürcher Geburt von Rudolf Hoffhalter fand. (Leider publizierte er darüber keine Einzelheiten, obwohl er das in seinem kurzen Bericht in Aussicht stellte.)[5] Die erste Zürcher Angabe über Raphael Hoffhalter ist die Registrierung seiner schon erwähnten Ehe am 27. Juli 1549 mit Kathrin Göldli. Die Eltern der Frau waren Junker Hektor Göldli und Margaretha Bryner. Margaretha Bryner stammte aus einer Bauernfamilie von Brünggen in der Gemeinde Kiburg und war Priorin des Zisterzienserinnenklosters Selnau bei Zürich gewesen; sie trat aber aus dem Kloster aus und heiratete um 1524 Hektor Göldli. In der Großmünsterkirche von Zürich wurden zwei Kinder von Raphael Hoffhalter und Kathrin Göldli getauft: am 7. Dezember 1550 Rudolf, am 15. Juli 1552 Maria. So trug Rudolf demnach die Abstammungsbezeichnung Tigurinus bei seinem Namen später mit Recht. Rudolfs Taufpaten waren Rudolf Gwalter bzw. Margaretha Lavater, und Marias Taufpaten Jakob Stampfer bzw. Anneli Brunner. Margaretha Lavater war die Tochter des berühmten Reformators und Predigers am Großmünster in Zürich Heinrich Bullinger. Sie hat den späteren Antistes Ludwig Lavater geheiratet. Jakob Stampfer war ein bekannter Goldschmied und Medailleur.



Druckerzeichen von Raphael Hoffhalter (Wien 1558
)

Am 2. September 1551 nahm der Zürcher Rat den Buchstabengießer und Formschneider Raphael Hoffhalter aus Polen zum Hintersassen an.[6] Wahrscheinlich erbat er aus diesem Grund die Bestätigung seiner adeligen Herkunft, die – wie schon erwähnt – vom Posner Rat 1550 ausgestellt wurde. Am 27. Mai 1553 gab der Zürcher Rat ein Zeugnis aus, in dem bezeugt wurde, daß Raphael Skrzetusky, der sich mehrere Jahre hindurch in der Stadt aufgehalten, hier geheiratet und Kinder gezeugt hatte, nun in seine Heimat „Posnonia in Polen” zurückkehren wolle; er habe sich in Zürich ehrlich gehalten und wird jedermann empfohlen.[7] (Es leuchtet ein, daß Hoffhalter dieses hauptsächlich für Polen bestimmte Dokument auf seinen Originalnamen ausstellen ließ.) Seine Reisepläne hat Raphael Hoffhalter aber kaum verwirklicht. Das geht aus einer in Zürich aufbewahrten Urkunde vom 1. November 1554 hervor, in der Elisabeth Schneeberger mit ihrer Unterschrift bezeugte, daß sie in Raphaels Haushalt lebe und für den Fall ihres Todes dessen Frau und ihre Mutter sowie Hans Sturm, Raphaels Lehrling, mit Vermächtnissen bedenke.[8] Aus dem Umstand, daß Hoffhalter einen Lehrling in seinem Haushalt hatte, kann man vielleicht die Folgerung ziehen, daß er seine Tätigkeit in Zürich als „Buchstabengießer und Formschneider”, als der er vom Rat zum Hintersassen angenommen wurde, selbständig ausübte. Auch in den publizierten Dokumenten der Offizin Froschauer die damals in Zürich – abgesehen von der unbedeutenden Druckerei von Rudolf Wyssenbach – alleinherrschend war, findet man keine Spur von Hoffhalter.

Die Gevatterschaft zwischen Bullinger und Hoffhalter, die durch die Taufe von Rudolf Hoffhalter entstand, gibt eine Erklärung über ihre Beziehung, die aus dem Brief des ungarischen Reformators Gallus Huszár vom 26. Oktober 1557 schon früher bekannt war.[9] Ein späteres Zeugnis für den Kontakt zwischen den beiden Familien ist der Brief, den Kathrin Hoffhalter am 18. März 1562 aus Wien über einige Neuigkeiten vom Türkenkriege an Bullinger schriebe.[10]

Raphael Hoffhalter blieb nach der erwähnten Ausstellung der Urkunde 1554 durch Elisabeth Schneeberger nicht mehr sehr lange in Zürich. Er traf vielleicht schon im folgenden Jahr in Wien ein, wo er am l0. April 1556 ein Privileg als Buchdrucker, Formschneider, Papier- und Buchhändler für drei Jahre erhielt. Damit setzte seine berühmte Wiener Tätigkeit ein.


[1] Mayer, Anton: Wiens Buchdrucker-Geschichte. I. Wien 1883. 86–90. – Gulyás Pál: Der Wiener Buchdrucker Rafael Hoffhalter und sein Sohn in Ungarn. In: Gutenberg Jahrbuch 1930. 197–208. – Soltész Erzsébet: Die Holzschneider-Tätigkeit Raphael Hoffhalters in Ungarn. In: Gutenberg Jahrbuch 1957. 247–253. – Borsa Gedeon: Rodolphus Hoffhalters Typographie in der Gegend von Mur und Drau. In: Vjestnik Hrvatske 1968. 26–34.

[2] Ötvös János: Hoffhalter Rafael debreceni nyomdász. (R. H., der Drucker von Debrecen.) In: Déri Múzeum Évkönyve (Jahrbuch des Museums Déri in Debrecen) 1960–1961. 39–45. (mit einer Zusammenfassung in deutscher Sprache).

[3] Hier möchte ich den Herren Dr. U. Helfenstein (Staatsarchiv des Kantons Zürich) und Dr. Paul Guyer (Stadtarchiv Zürich) für ihre wertvollen Informationen, die sie mir liebens—würdigerweise zur Verfügung gestellt haben, meinen aufrichtigen Dank nochmals zum Ausdruck bringen.

[4] Weisz, Leo: Läßt sich die Geburt Rudolf Hoffhalters in Zürich nachweisen? In: Neue Zürcher Zeitung, 18. Juli 1930. Nr. 1417, Bl. 2.

[5] Die „Zürcher” Hoffhalter in Ungarn. In: Neue Zürcher Zeitung 23. Juli 1930. Nr. 1451, Bl. 6.

[6] Ratsmanual B II 76., S. 9.

[7] Kopie in den Ratsurkunden B V 11, fol. 65.

[8] Gemächtsbuch B VI 312, fol. 261v.

[9] Friedrich Adolf Lampe: Historia ecclesiae reformatae in Hungaria et Transylvania. Trajecti ad Rhenum 1728. 115. – Original im Staatsarchiv des Kantons Zürich: Briefband E II 367. 62.

[10] Zürich, Staatsarchiv: Briefband E II. 361. 279.




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