34. Protestantische Werke in kajkavisch-kroatischer Sprache
aus der Druckerei des Joannes Manlius

Studia Slavica Hungarica 1982. 67–68.

Joannes Manlius (Mannel, Mandelz) war früher nur als Drucker bekannt. Er arbeitete zuerst in Laibach (Ljubljana – 1575–1580), dann in den Jahren zwischen 1582–1605 in mehreren Ortschaften Westungarns. Die erste Ortschaft in Ungarn war Güssing (Németújvár), die Residenz der damals so mächtigen Familie Batthyány. Hier fand der protestantische Drucker, seiner religiösen Auffassung wegen aus Laibach ausgewiesen, ein Asyl.[1] Die Bibliothek der Familie Batthyány ist bis heute bei den Franziskanern in Güssing erhalten geblieben. In dieser Sammlung fiel mir auf, daß mehrere Ledereinbände vom Ende des 16. Jahrhundert mit demselben Stempel verziert sind. In Güssing konnte ich nicht weniger als 13 Bände entdecken, die in derselben Buchbinderei verfertigt wurden. Aufgrund dieser Funde konnte ich später in Budapest und in Ödenburg (Sopron) noch ein weiteres Dutzend Einbände identifizieren, die in dieser Werkstatt verfertigt worden sind. Insgesamt ließ sich eine stattliche Garnitur von 28 verschiedenen Stempeln, Platten und Rollen rekonstruieren, die ich für diese Buchbinderei für charakteristisch fand.[2]

Mehrere Einbände in Güssing befanden sich in einem ziemlich mitgenommenen Zustand. In einigen beschädigten Einbänden waren Teile von alten Druckwerken in ungarischer Sprache sichtbar. Ich ließ sie daher bei der Restaurierung der Einbände herauslösen. Danach konnte festgestellt werden, daß die Einbanddeckel ausschließlich Makulatur aus der Offizin von Manlius enthalten. Dies veranlaßte mich zur Vermutung, daß alle diese Bände aus der Buchbinderei von Manlius stammte. In der wertvollen Kalendersammlung des Stadtarchivs von Ödenburg fand ich später mehrere Kalender, die mit Hilfe derselben Stempel, Platten und Rollen verziert wurden, wie die in Güssing entdeckten Einbände, und sie tragen außerdem eine mehrzeilige Widmung von Manlius an den Stadtrat, mit seinen Lettern in das Leder eingepresst. Die frühere Hypothese ist somit zur Sicherheit geworden die identifizierten Einbände stammen gewiß aus der Buchbinderei von Manlius.

Außer den schon erwähnten Bänden in Güssing wurden die Deckel von einem Einband der Universitätsbibliothek in Budapest und von sieben Einbänden in Ödenburg auf meine Bitte sachgemäß geöffnet und die zu ihrer Verstärkung zusammengeklebten Makulaturen freigelegt. Auch sie stammen alle aus der Offizin des Manlius. Bei der Identifizierung der zahlreichen Druckwerke stellte sich heraus, daß auffallend viele von ihnen früher bibliographisch unbekannt gewesen waren. Um zu veranschaulichen, wie groß der Anteil der unbekannten Werke ist, kann man das Verhältnis auch in Prozentzahlen ausdrücken. Wenn man die Oberfläche der gesamte, so freigelegte Makulatur addiert, sind nicht weniger als 78 Prozent der herausgelösten Werke unbekannt. Daraus kann man schon ahnen, wie viele alte Druckwerke im Laufe der Jahrhunderte spurlos verschwunden sind. Die heute Bekannten bilden nur den Gipfel des Eisberges: der größte Teil der ehemaligen Produkte der alten Offizinen ist für unsere Augen vollkommen verschwunden.

Die Einbanddeckel spielen für die Buchforscher eine ähnliche Rolle wie die Erde für die Archäologen: in ihnen blieben – wenn auch meist in Bruchstücken – manchmal die Reste vergangener Jahrhunderte erhalten.

Unter den mehreren unbekannten Druckwerken von Manlius befinden sich drei, die in kroatischer Sprache gedruckt wurden. Zwei von ihnen sind Einblattdrucke, die aus den Einbanddeckeln des Werkes „De agno paschalis“ von Blasius Skryniarich (Škrinjariæ) herausgelöst wurden. Das Buch selbst – gedruckt in Warasdin (Varaždin) i. J. 1587 – befindet sich in der Universitätsbibliothek in Budapest. Die Maße der Bruchstücke machen 96×145 mm aus. Das Blatt mit dem Anfangsbuchstaben P ist in fünf Exemplaren, das andere, mit dem Anfangsbuchstaben O in einem Exemplar erhalten geblieben.

Eine weitaus größere Bedeutung hat der andere Fund. Aus den Einbanddeckeln des Nürnberges Kalenders von Georgius Caesius für das Jahr 1601, der im Ödenburgen Stadtarchiv aufbewahrt wird, kamen 18 Doppelblätter eines lutherischen Gebetbuches in kroatischer Sprache zum Vorschein. Einwandfrei stammen auch diese Bruchstücke – laut Aussage des typographischen Materials – aus der Offizin von Manlius. Von zwei Doppelblättern sind je drei Exemplare, von zwei weiteren je zwei Exemplare und von denen übrigen acht nur je ein Exemplar erhalten geblieben. Alle stammen von den Bogen H–M des Gebetbuches, dessen Gesamtumfang theoretisch 96 Blätter ausmachte. Mit den entdeckten Blättern besitzen wir ungefähr ein Viertel des ganzen Buches, d. h. (abgerechnet die Wiederholungen der in mehreren Exemplaren erhaltenen Blättern) insgesamt 47 verschiedene Textseiten.[3]


[1] Borsa Gedeon: Der Drucker und Buchhändler Joannes Manlius im Dienste der Südslawen: Studia Slavica Hungarica 25 (1979) 63–69.

[2] Az Országos Széchényi Könyvtár Évkönyve 1970–1971. 301–321.

[3] Az Országos Széchényi Könyvtár Évkönyve 1972. 167–205.




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